Essen wir bald alle Insekten statt Rind?

Diese Frage beantwortet die Ausstellung „Future Food“

Future Food Hygiene Museum Dresden
Was landet in Zukunft auf unseren Tellern? Antworten liefert das Deutsche Hygiene-Museum Dresden. © Oliver Killig

Rind oder Soja? Fast Food oder Diät? Insekten oder In-vitro-Fleisch? Die Ausstellung „Future Food“ im Deutschen Hygiene-Museum fragt, wie die Ernährung der Zukunft aussehen könnte – und blickt dazu auch in die Vergangenheit. Ein Interview mit der Kuratorin Dr. Viktoria Krason.

Von Selly Häußler

Essen wir bald alle Insekten statt Rind?

Sehr bald jedenfalls nicht. Noch sind Insekten relativ teuer und nur in wenigen Restaurants und Supermärkten verfügbar.

Wann könnte sich das ändern?

Es könnte sein, dass in Zukunft große Fleischfirmen in die Herstellung und Vermarktung ungewohnter Lebensmittel investieren und so den Preis senken. Insekten sind allerdings nicht im westlichen Speiseplan verankert, die Hemmschwelle ist hoch. Für Vegetarier und Veganer kommen sie schon aus ethischen Gründen nicht infrage, da es sich um Tiere handelt.

Sie haben die Ausstellung „Future Food“ vorbereitet. Wie sieht der zukünftige Speiseplan westlicher Kulturen aus?

Das ist nicht so leicht zu beantworten, da westliche Kulturen ja vielfältig sind. Es hängt davon ab, welche Prioritäten ein Land in Zukunft setzt. Wenn der Klimawandel weiterhin viel Aufmerksamkeit in der Gesellschaft findet, setzt sich wahrscheinlich eine pflanzliche Ernährung durch. Rücken dagegen nationale Identitäten oder wirtschaftliches Wachstum in den Vordergrund, führt das eher zu einer fleischlastigen Ernährung. Gesellschaftliche Trends und politische Zielsetzungen, aber auch individuelle Interessen haben Einfluss auf das Konsumverhalten der Menschen, egal ob sie dann Fast Food essen, Vegetarier werden oder Diäten machen. Ernährung hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, und gerade das ist ja auch das Spannende.

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Aber immer mehr Menschen leben vegetarisch oder sogar vegan.

Zumindest in Deutschland ist ein Punkt erreicht, an dem immer weniger Fleisch konsumiert wird. In den Discountern bestimmt inzwischen auch die hohe Nachfrage nach Bio- und Fair-Trade-Produkten das Angebot. Das zeigt, dass viele Menschen sich dafür interessieren. Schon in der Vergangenheit gab es ähnliche Tendenzen. Zum Beispiel die Lebensreformbewegung im 19. Jahrhundert und die Studentenbewegung der 60er-Jahre, die von der Gesamtgesellschaft aber oft belächelt wurden. Heute durchzieht das Bewusstsein für Ernährung und Klimawandel große Teile der Gesellschaft und die Mitverantwortung des Einzelnen wird stärker diskutiert als früher. Man kann also von einem Wendepunkt sprechen. Trotzdem ist der Fleischkonsum noch relativ hoch. Ich hoffe, dass die Entwicklung weitergeht, aber jede Bewegung kann eine Gegenbewegung haben. Und gerade gibt es in Europa populistische Parteien, die in eine andere Richtung argumentieren.

Es geht darum, wie Essen nachhaltiger, gesünder und fairer werden kann.

Kuratorin Dr. Viktoria Krason

Geht es bei dieser Entwicklung nur um wohlhabende Gesellschaften?

Da geht es schon vor allem um wohlhabende Gesellschaften. In allen Kulturen, in denen Fleisch traditionell einen hohen Stellenwert hat, ist mit höherem Einkommen auch der Fleischkonsum gestiegen. Das könnte in Zukunft genauso in den Ländern passieren, die diesen Wohlstand erst erreichen. Es muss aber nicht zwangsläufig so sein. Die wohlhabenden Länder könnten auch vormachen, dass eine pflanzliche Ernährung möglich und erstrebenswert ist. Es wäre schön, wenn das Schema dadurch aufbricht.

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Wie haben Sie diese Ideen in der Ausstellung „Future Food“ umgesetzt?

Wir stellen verschiedene Ideen für das Essen der Zukunft vor, die in Wirtschaft, Wissenschaft und privaten Initiativen entwickelt werden. Es geht darum, wie Essen nachhaltiger, gesünder und fairer werden kann. Das unterteilen wir in die drei Kapitel „Lebensmittelproduktion“, „Handel“ und „Konsum“. Und weil das weltweite Ernährungssystem so abstrakt und vielschichtig ist, haben wir es in konkrete Raumbilder gebettet: ein Gewächshaus, ein Logistikzentrum und einen Supermarkt. Die Besucher erhalten dort Informationen und Eindrücke auf verschiedenen Ebenen: über Objekte aus Landwirtschaft, Technologie, Wissenschaft, Industrie und Kultur, über Interviews mit Experten, über Informationsgrafiken, interaktive Stationen und auch über zeitgenössische Kunst.

Die Ausstellung ermöglicht den Besucherinnen und Besuchern, sich mit dem auseinanderzusetzen, was sie jeden Tag essen. © Oliver Killig
Die Ausstellung bietet verschiedene Wege, sich mit dem Thema Ernährung zu befassen. © Oliver Killig
Unser Fleischkonsum spielt ebenfalls eine Rolle bei der Frage, wie Essen in Zukunft nachhaltiger produziert, gerechter gehandelt und gesünder konsumiert werden kann. © Oliver Killig
Dieser Ernteroboter soll die reife Früchte erkennen, mit dem Greifarm fixieren und anschließend mit dem integriertem Schneidemesser die Frucht am Stil abschneiden und in einen Sammelkorb ablege © Uli Benz / TU München

Warum ist gerade Kunst ein geeigneter Zugang zum Thema?

Kunst bietet die Möglichkeit, mithilfe der sinnlichen Wahrnehmung über einzelne Aspekte des Themas nachzudenken. Also auf eine andere Art als durch Dokumentarfilme oder Fakten. Ein Exponat ist zum Beispiel ein Film des polnischen Videokünstlers Wojtek Doroszuk. Er zeigt Landwirtschaft eigentlich als Utopie, eine Art Liebesbeziehung zwischen Mensch und Natur. Dadurch wirft er eine extrem wichtige Frage auf: Welche Art von Umgang mit der Natur wünschen wir uns? Kunst ist aber nur einer von vielen Zugängen. Gleichzeitig ist die Ausstellung sehr informativ, sie präsentiert viele Fakten und stellt gegensätzliche Positionen vor.

Was passiert an den interaktiven Stationen?

An einer Station können Besucher problematische Produkte wie Huhn, Zucker und Soja von einem Warenband nehmen und einscannen. So erhalten sie unterschiedliche Informationen über die Wertschöpfungskette oder die Produktionsbedingungen. Außerdem gibt es Stationen zu Bio- und Fair-Trade-Siegeln und die Besucher können neue Lebensmittel-Apps ausprobieren.

Ist Fleischkonsum der Schwerpunkt der Ausstellung?

Nein. Er spielt eine große Rolle, aber er ist nur ein Thema. Es ist Teil der großen zentralen Fragen, wie Essen in Zukunft nachhaltiger produziert, gerechter gehandelt und gesünder konsumiert werden kann. Um den Fleischkonsum zu reduzieren, werden beispielsweise andere Lebensmittel diskutiert wie Algenprodukte oder In-vitro-Fleisch.

Schon den Vegetariern um 1900 ging es um das Tierwohl, aber auch darum, ein besserer Mensch zu sein.

Kuratorin Dr. Viktoria Krason

Die Ausstellung zeigt also auch Lösungsansätze?

Genau darum geht es. Verschiedene Projekte werden vorgestellt: Digitalisierung und Robotik, neue Methoden des Ökolandbaus, kreative regionale Fair-Trade-Unternehmen, gesetzliche Regelungen, die bestimmte Produkte verbieten oder verteuern könnten, und globale politische Konzepte. Das sind alles unterschiedliche Lösungsansätze, die sich zum Teil auch widersprechen können. Einige der Exponate sind historisch.

Warum ist die Rückschau wichtig, wenn es doch um die Zukunft des Essens geht?

Viele Ideen für die Zukunft gab es schon. Wenn man diese Ideen mit denen von heute vergleicht, wenn man sich ansieht, warum sie umgesetzt wurden oder gescheitert sind, dann stellt man Ähnlichkeiten und Unterschiede fest und kann verstehen, was das Neue daran ist. Schon den Vegetariern um 1900 ging es um das Tierwohl, aber auch darum, ein besserer Mensch zu sein. Heute kommt der Klimawandel mit ins Spiel. Man kann die Gegenwart besser verstehen, wenn man die Vergangenheit studiert.

Die Ausstellung „Future Food. Essen für die Welt von morgen“ wird im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden noch bis zum 22. August 2021 zu sehen sein.

Aktuelle Corona-Hinweise

  • Aktuell können ausschließlich Zeitfenster-Tickets gebucht werden.
  • Es muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Der Mindestabstand von 1,5 Metern ist einzuhalten.
  • Vor und nach Ausstellungsbesuch sollten die Hände desinfiziert werden.
  • In Betrieb sind nur solche interaktiven Elemente, die gut desinfiziert werden können.
  • An den Medienstationen sollten nach Möglichkeit private Kopfhörer getragen werden. Wer keine dabei hat, erwirbt sie für 1 Euro an der Kasse.

Dr. Viktoria Krason studierte Kunstgeschichte, Neuere deutsche Literatur und Philosophie in Münster, Venedig und Berlin. Sie ist Kuratorin am Deutschen Hygiene-Museum in Dresden.

Dieser Beitrag ist erstmals am 17. September 2020 erschienen.

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