William Kentridge in Dresden: Ein Ausstellungsfestival zum 70. Geburtstag

Ausschnitt aus „More Sweetly Play the Dance“ (2015) von William Kentridge, eine großformatige Videoinstallation.
„More Sweetly Play the Dance“ (2015) von William Kentridge: Die fast vierzig Meter lange Videoinstallation verbindet Zeichnung, Animation, Musik und Performance zu einer poetischen Prozession. © William Kentridge, 2025

Zeichner, Theatermacher, Grenzgänger: Drei Dresdner Ausstellungen zeigen den südafrikanischen Künstler William Kentridge aus unterschiedlichen Perspektiven – und erzählen dabei viel über unsere Gegenwart.

2025 wird William Kentridge 70 Jahre alt – ein Anlass, den die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) gemeinsam mit dem Museum Folkwang in Essen groß feiern. Im Rahmen des Ausstellungsfestivals „Listen to the Echo“ wird das Werk des südafrikanischen Ausnahmekünstlers an drei Orten in Dresden präsentiert, wobei jede Ausstellung eine eigene Perspektive auf sein Schaffen eröffnet.

Drei Ausstellungen – drei Perspektiven auf Kentridge

Albertinum, Kupferstich-Kabinett und Puppentheatersammlung öffnen im Rahmen des Ausstellungsfestivals drei unterschiedliche Zugänge zu Kentridges Werk – vom filmischen Panorama über die Druckgrafik bis hin zum experimentellen Zusammenspiel von Schatten, Objekten und Performance.

Tanz der Schatten – Kentridge im Albertinum

Ausschnitt aus „More Sweetly Play the Dance“ (2015) von William Kentridge
Ausschnitt aus „More Sweetly Play the Dance“ (2015) von William Kentridge. Foto: Kentridge Studios

Im Albertinum steht mit More Sweetly Play the Dance (2015) eine monumentale Videoinstallation im Mittelpunkt. Über fast vierzig Meter zieht sich eine unendliche Prozession aus gezeichneten und animierten Figuren, deren Bewegungen sich mit kraftvoller Blechbläsermusik verweben. Das Werk ist zugleich packend und poetisch – eine eindringliche Choreografie aus Geschichte, Erinnerung und menschlicher Verletzlichkeit.

Besonders spannend: More Sweetly Play the Dance ist im selben Raum wie der historische Fürstenzug zu sehen. Der Kontrast ist bewusst gesetzt: Pracht und Elend, Monumentalität und Fragilität treten dabei in einen intensiven Dialog. Laut Kuratorin Mailena Mallach bietet diese Gegenüberstellung einen „idealen Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit den politischen und poetischen Schichten in Kentridges Werk“.


Druck macht Eindruck – das Kupferstich-Kabinett

William Kentridge, Three Rhinos (3 von 3), 2005 © William Kentridge, 2025

Das Kupferstich-Kabinett widmet sich ganz der Druckgrafik – einem Medium, das in Kentridges Werk zentrale Bedeutung hat. Schon früh nutzte er die Ausdruckskraft von Radierungen, Lithografien und Holzschnitten, um Geschichte, Erinnerung und Gesellschaft zu reflektieren. In seinen Drucken wird sichtbar, was sich mit Worten kaum greifen lässt: Brüche, Widersprüche, offene Fragen.

Die ausgestellten Werke zeigen den experimentellen Geist Kentridges: Wiederholungen, Überlagerungen, Zeichnungen über Zeichnungen. Viele der Drucke stehen in engem Bezug zu seinen Animationsfilmen oder Theaterprojekten. Dass der Künstler selbst die Auswahl mitgestaltet hat, unterstreicht den besonderen Stellenwert dieser Präsentation.


Puppen, Ideen und andere Möglichkeitsräume

Im Kraftwerk Mitte wird es performativ. Die Puppentheatersammlung übergibt ihre Jahresschau an das von Kentridge und Bronwyn Lace gegründete Centre for the Less Good Idea – ein Künstlerkollektiv aus Johannesburg. Es zeigt multimediale Arbeiten, die in den vergangenen Jahren am Centre entstanden sind, aber auch neue Werke, die vor Ort im Austausch mit Dresdner Objekten entwickelt werden.

Kathi Loch, Direktorin der Puppentheatersammlung, hebt hervor, dass die Kunst des Centre den Blick öffnet und die Welt als Ort der Möglichkeiten begreifbar macht – ein „starkes Signal für Menschlichkeit, Vielfalt und offenes Denken“.

William Kentridge: Zwischen Bühne und Zeichenpapier

Der südafrikanische Künstler William Kentridge, geboren 1955 in Johannesburg, verbindet in seinem Werk Zeichnung, Theater, Film und Installation. Mit seinen poetischen und zugleich politischen Arbeiten zählt er zu den bedeutendsten Stimmen der zeitgenössischen Kunst. Foto: Norbert Miguletz

Als einer der einflussreichsten Künstler der Gegenwart hat William Kentridge (*1955 in Johannesburg) weltweit Maßstäbe gesetzt. Aufgewachsen in einer von der Apartheid geprägten Gesellschaft, erlebte er schon früh, wie Politik und Alltag untrennbar miteinander verwoben sind. Seine Eltern, beide Juristen, setzten sich entschieden gegen das rassistische System ein – sein Vater vertrat unter anderem Nelson Mandela und die Familie des ermordeten Aktivisten Steve Biko.

Nach dem Schulabschluss studierte Kentridge Politikwissenschaft und Afrikanistik, wandte sich aber bald der Kunst zu. An der Art Foundation in Johannesburg erlernte er Zeichnung und Drucktechniken, später ging er nach Paris, um Schauspiel zu studieren. Diese ungewöhnliche Kombination wurde zur Grundlage seines facettenreichen Werks. Kentridge ist Zeichner, Regisseur, Performer und Erzähler. Seine Animationen entstehen oft aus Kohlezeichnungen, die er übermalt, ausradiert, neu versieht – der Prozess ist sichtbar, der Wandel Teil der Aussage. Seine Arbeiten sind keine abgeschlossenen Statements, sondern offene Denkbewegungen. „Ich bin nur ein Künstler“, sagt er selbst. „Meine Aufgabe besteht darin, zu zeichnen – nicht darin, Sinn zu stiften.“ Und doch sind seine Werke durchdrungen von Bedeutung – poetisch, politisch, zugänglich und vielschichtig zugleich.


Ein Festival, das bewegt

„Listen to the Echo“ ist keine klassische Werkschau, sondern ein lebendiges Experimentierfeld. Es lädt dazu ein, Kentridges Kunst nicht nur zu betrachten, sondern sich auf ihre Denkbewegungen einzulassen – über Zeiten, Orte und Disziplinen hinweg.

Wer sich auf diese Reise einlässt, erlebt keine fertigen Antworten, sondern kluge Fragen, poetische Bilder und überraschende Verbindungen. Und vielleicht auch: einen neuen Blick auf die Welt.


Veranstaltungen im Überblick

Ausstellungen (noch bis Januar 2026)

Alle Infos und Programm unter: skd.museum

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