Schaubudensommer 2023: „Wir wollen sie alle!“

Interview mit den künstlerischen Leitern des Straßenfestivals

Ein absolutes Sommerhighlight: Der Schaubudensommer am Goldenen Reiter. Foto: André Wirsig

Endlich wieder Schaubudensommer! Vom heutigen Dienstag bis Donnerstag verwandelt sich die Hauptstraße am Goldenen Reiter zwischen 14 und 22 Uhr zum Spielplatz für Straßenkünstler aus aller Welt. Wir haben mit den künstlerischen Leitern des verrückten Festivals gesprochen.

Der Schaubudensommer ist zurück und hat sich wie eh und je zur Aufgabe gemacht, die Hauptstraße am Goldenen Reiter mit Kunst, Theater und Musik zu füllen. Dafür haben Helmut Raeder und Heiki Ikkola Straßenkünstler aus der ganzen Welt eingeladen. Im Interview plaudern die beiden langjährigen Kuratoren aus dem Nähkästchen und verraten, was sich seit dem Umzug von der scheune Dresden auf die Straße verändert hat.

Dresden Magazin: Der Schaubudensommer ist für viele Flucht aus dem Alltag, eine Oase der Glückseligkeit inmitten der Stadt, ein Kurzurlaub vom Weltgeschehen. Will er den Besuchern noch mehr mitgeben als ein Lächeln im Gesicht?

Helmut Raeder: Ein Lächeln im Gesicht ist schon viel. Was gibt es Schöneres? Aber klar gibt es darüber hinaus eine Botschaft: Raus mit der Kunst aus den Theatern, Galerien, Kunsttempeln jeglicher Art. Raus mit der Kunst zu den Leuten, zu den Leuten jeglicher Couleur, jeglicher Herkunft, Bildung. Egal ob alt oder jung. Egal ob Penner oder Banker. Barrierefrei in jeglicher Hinsicht. Wir wollen sie alle!

Heiki Ikkola: Wenn sich Botschaften eines solchen Festivals einfach in Worte fassen ließen, hätten wir ein Buch geschrieben… Wir aber kreieren ein Festival. Und wenn das Publikum lacht, lächelt, staunt, den Kopf schüttelt oder schockiert ist, dann haben wir viel erreicht. Im besten Fall bleiben Geschichten, die sich Menschen noch Jahre danach um Worte ringend weitererzählen. 

Verrückt, lustig, einfach spektakulär: Beim Schaubudensommer kommt jeder ins Staunen. Foto: André Wirsig

Welchen künstlerischen Ansatz verfolgen Sie: Die bunte Mischung macht’s? Oder liegt jeder Ausgabe ein klares Konzept zugrunde?

Helmut Raeder: Natürlich gibt es ein klares Konzept: Der ganz und gar subjektive Blick. Ich sehe irgendwo auf der Welt eine Show und denke augenblicklich: Verdammt ist das toll. Das ist zu schön um es nur hier und jetzt allein zu genießen. Das will ich teilen mit den Menschen in Dresden.

Heiki Ikkola: Der wichtigste Ansatz bei der Auswahl ist wohl, sich selber immer wieder zu überraschen und nicht nur auf Bewährtes zurückzugreifen. Die besondere Interaktion mit dem Publikum und die Spontaneität der Straße sind ein wesentlicher Aspekt bei der Auswahl der Stücke und Shows.

Bei dem Straßenfestival treten Künstler aus der ganzen Welt auf. Foto: André Wirsig

Wie gestaltet sich die Kooperation mit dem Societätstheater – und damit auch Ihre persönliche Zusammenarbeit? (Anm.: Heiki Ikkola ist Geschäftsführer und künstlerischer Leiter des Societätstheaters.)

Heiki Ikkola: Da das Societätstheater ja an der Hauptstraße liegt, bietet sich diese Zusammenarbeit geradezu an. Im Zuge der Corona-Maßnahmen und während der Bauarbeiten im Theater ist das Socie immer wieder in der Stadt unterwegs gewesen, auf den Straßen und Plätzen – Erfahrungen, die dem Schaubudensommer nun auch zugutekommen.

Die kreativen Köpfe hinter dem Schaubudensommer: Heiki Ikkola (l.) und Helmut Raeder. Foto: André Wirsig

Helmut Raeder: Wir beide kennen uns seit über 40 Jahren. Heiki hatte einen Wanderzirkus, ich eine Gauklertruppe. Gemeinsam zogen wir in den 80er Jahren durch die kleine DDR von Wohngebietsfest zu Wohngebietsfest. Das schweißt zusammen. Es war ein Glückfall, dass wir uns in den 90er Jahren in Dresden wiedergefunden haben. Gemeinsam zogen wir den Schaubudensommer hinter der scheune groß. Gemeinsam erfanden wir den Schaubudensommer auf der Hauptstraße neu… Noch Fragen?

Ja! Der Schaubudensommer findet in diesem Jahr erst zum dritten Mal auf der Hauptstraße statt. Trauern Sie Ihrem ehemaligen Veranstaltungsort, der scheune Dresden, noch nach? Wie hat sich das Festival seitdem verändert?

Heiki Ikkola: Auch wenn der verzauberte Platz hinter der scheune immer ein sehr besonderer Ort war, hängen wir dieser Zeit nicht mit Trauer nach. Verändert hat sich natürlich die Programmauswahl, weil gewisse intime Formate, die in der kleinen Schaubude ihren Platz fanden, in ein Straßentheaterfestival kaum zu integrieren sind. Nun können wir raumgreifender werden, auch mal den Himmel bespielen.

Foto: André Wirsig

Helmut Raeder: Wir haben hinter der scheune alles gegeben. Alles! Irgendwann waren wir ausgeschöpft. Nach über zwanzig Jahren kann das passieren. Für mich war der Wechsel auf die Hauptstraße eine Befreiung: Raus an die Luft, ins Freie, ins Weite, auf die Straße. Dorthin wo ich, wo wir beide herkommen.

Irgendwann waren wir ausgeschöpft. Nach über zwanzig Jahren kann das passieren. Für mich war der Wechsel auf die Hauptstraße eine Befreiung.

Festivalleiter Helmut Raeder über den Umzug des Schaubudensommers von der scheune Dresden zum Goldenen Reiter

Der Auszug aus der scheune bedeutete auch, dass das Eintrittsgeld wegfiel. Seitdem müssen Sie mit weniger konstanter Finanzierung haushalten und fehlende Mittel über Spenden ausgleichen. Wie gut funktioniert das bisher? 

Helmut Raeder: Das Schöne an einem Hutfestival ist ja: Wer viel hat, kann viel geben. Wer wenig oder nichts hat, muss nichts geben, außer vielleicht sein Lächeln. Das klappt wunderbar!

Heiki Ikkola: Es ist jedoch auch eine Gratwanderung. Das Festival ist nun viel kürzer. Jedes Jahr muss neu entschieden werden, ob das Geld reicht.

Der Schaubudensommer findet vom 4.-6. Juli immer zwischen 14 und 22 Uhr auf dem Verbindungsstück zwischen Alt- und Neustadt statt.

Hier findet ihr das gesamte Programm.

Der Eintritt ist kostenfrei, jedoch ist das Straßenfestival auf Spenden angewiesen. Wenn ihr den Schaubudensommer finanziell unterstützen wollt, könnt ihr das entweder vor Ort mit einer Hutspende, oder online hier tun.