Die Fotoausstellung „Stronger than Bombs“ in der Dresdner Frauenkirche zeigt bis zum 20. November die Folgen des russischen Angriffskrieges für die ukrainische Kultur. Die großformatigen Bilder zeigen die Folgen des Terrors, mit dem die russische Armee die Ukraine seit zwei Jahren überzieht. Sie zeigen aber auch, wie sich Künstlerinnen und Künstler, Freiwillige und Bürger der russischen Aggression widersetzen, um ihre kulturelle Identität zu bewahren. Für die Ausstellung hat das europäische Journalismus-Netzwerk n-ost im Auftrag der Stiftung Frauenkirche Dresden mit hochkarätigen internationalen Fotografinnen und Fotografen zusammengearbeitet. n-ost unterstützt ukrainische Journalisten seit 2022 verstärkt in der internationalen Zusammenarbeit und fördert den regionalen Journalismus in der Ukraine. Ein Gespräch mit Stefan Günther, Kurator der Ausstellung, über Bilder, auf denen die Zeit stillzustehen scheint, und den unbändigen Willen der Ukrainer, ihre Identität gegen den russischen Angriff zu verteidigen.
Das Journalistennetzwerk n-ost hat zuletzt immer wieder Ausstellungen an ungewöhnlichen Orten präsentiert. 2022 zeigten die Kuratoren mit „Next station Ukraine“ in der U-Bahnstation Rosenthaler Platz in Berlin Bilder von Menschen, die sich in Kyjiw in die dortige U-Bahn geflüchtet haben, um sich vor der Bombardierung durch die russische Armee zu schützen. Jetzt zeigt das Netzwerk Bilder international renommierter Fotojournalistinnen und Fotojournalisten, die die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für die ukrainische Kultur dokumentieren. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, diese Bilder ausgerechnet in der Dresdner Frauenkirche zu zeigen?
Tatsächlich ist das U-Bahn-Projekt, das nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg, Düsseldorf und Köln lief, der Ausgangspunkt für das Projekt in der Frauenkirche. Die Stiftung der Frauenkirche hat das Projekt in Berlin gesehen und uns gefragt, ob wir uns etwas Ähnliches in Dresden vorstellen können. Wir haben spontan zugesagt. Ohnehin wollten wir die Ausstellung auch in die neuen Bundesländer bringen, aber die Sache hatte einen Haken: Ostdeutsche Städte haben keine U-Bahn. Mit der Frauenkirche hatten wir zwar einen großartigen Raum, mussten aber trotzdem das gesamte Ausstellungskonzept komplett neu denken. Eine Idee, die Andreas Dieterich von der Stiftung selbst eingebracht hat, war, sich auf Schutzsuchende zu fokussieren. Das war naheliegend, zumal die Unterkirche früher auch als Schutzraum genutzt wurde. Wir haben diese Idee dann weitergedacht und um Religions- und Kulturstätten ergänzt, denn in der Ukraine wird beides immer wieder Ziel von Angriffen und Bombardements. Teils absichtlich, teils weil sie an der Frontlinie liegen.
Auch die Frauenkirche wurde durch die Luftangriffe vom 13. und 14. Februar 1945 so stark beschädigt, dass sie schließlich einstürzte…
Genau. Und gleichzeitig ist Dresden eben auch diese Kulturstadt, die man auf der ganzen Welt kennt. Die Frauenkirche ist ja nicht nur Symbol für die Zerstörung einer Kirche im Krieg, sondern sie steht als Symbol auch für die verheerenden Folgen eines Krieges für die Kultur des angegriffenen Landes. Mir ist es aber sehr wichtig, an dieser Stelle zu unterscheiden: Nazideutschland hat den Zweiten Weltkrieg angefangen und wurde in der Konsequenz von den Briten auf eigenem Gebiet angegriffen. Die Ukraine wurde von Russland überfallen. Das ist ein großer Unterschied.
Ihr habt mit Partnern in Dresden zusammengearbeitet, unter anderem mit dem Ukrainischen Institut.
Ich habe das als großes Glück empfunden, mit ukrainischen Partnern zusammenzuarbeiten. Bei so einer Ausstellung geht es auch immer um sehr spezifische Perspektiven, die wir mit unserem westlichen Blick manchmal nicht nachvollziehen können. Es gibt Bilder in der Ausstellung, die man als Deutscher nicht sofort versteht, die aber im ukrainischen Kontext sehr wichtig sind. Unsere ukrainischen Partner haben da eine sehr wichtige Übersetzungsarbeit geleistet. Dieser Abgleich ist enorm wichtig, nicht nur bei den Bildern selbst, sondern auch bei den Bilderklärungen. Wir haben dafür mit einer ukrainischen Autorin zusammengearbeitet, um die ukrainische Perspektive konzeptionell mitzudenken.
Ich bin kein Kriegsfotograf, ich wollte nie einer sein und werde es auch nie sein. Aber das ist mein Land und ich fühle mich als Dokumentarfotograf und als Ukrainer verpflichtet, diesen historischen Moment für die Gegenwart und die Zukunft festzuhalten
Maxim Dondyuk, ukrainischer Fotograf
Du hast die Ausstellung kuratiert. Wie gehst du dabei vor, und was ist dir besonders wichtig zu zeigen?
Das Besondere von Ausstellungen an öffentlichen Orten ist, dass man potenziell sehr viele Menschen erreicht. Damit geht aber auch eine besondere Verantwortung einher, weil man Leute auf etwas stößt, das sie eigentlich gar nicht geplant hatten zu sehen. Für mich war klar, dass wir zwar die Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine zeigen wollten, aber eher auf eine subtilere Art und Weise, die die Menschen nicht abstößt oder erschreckt. Mit drastischer Kriegsfotografie erzielt man vielleicht einen kurzfristigen Effekt, aber man erreicht die Leute nicht darüber hinaus, weil sie sich abwenden und weitergehen. Kern des Ausstellungskonzepts ist, dass man sich an einem sakralen Ort befindet und sich in diesem besonderen Kontext zu der Situation ähnlicher Orte in der Ukraine in Beziehung setzt.
Die Ausstellung selbst hat drei Ebenen: Vor der Kirche haben wir einen vier Meter hohen Aufsteller, der ein Standbild des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko, eingehüllt in Sandsäcke, zeigt. In der Kirche selbst haben wir rechts und links des Altars zwei zerstörte Kirchen, darunter auf der rechten Seite die Verklärungskathedrale von Odessa, die nun schon zum zweiten Mal zerstört wurde – 1936 auf Anweisung Stalins und 2023 durch Putins Armee.
Kernstück der Ausstellung ist die Unterkirche. Dort zeigen wir 12 Fotografien von renommierten ukrainischen und internationalen Fotografinnen und Fotografen. Dort sehen wir einerseits Zerstörung, andererseits aber auch, wie Freiwillige eine orthodoxe Ikone durch ein Treppenhaus in Sicherheit bringen, und wir sehen Tänzerinnen vom Nationalballett in Lwiw, die sich auf einen Auftritt vorbereiten. Wir sehen, wie Menschen Dinge in Sicherheit bringen, die für die ukrainische Kultur und Identität von großer Bedeutung sind. Ein Bild zeigt ein Symphonieorchester in der Totalen, eigentlich ein ganz gewöhnliches Bild auf den ersten Blick. Wer genauer hinschaut, sieht, dass vor der Bühne Hilfsgüter aufgestapelt sind.
Wir zeigen nicht nur Zerstörung, sondern auch die Stärke der Kultur. Daher stammt auch der Titel der Ausstellung. Natürlich kann man versuchen, Konzerthäuser, Theater und Kirchen zu zerstören, aber es gibt eben auch diese besondere Stärke der Menschen selbst und ihren Willen, die eigene Kultur zu schützen. Beides lässt sich nicht durch Bomben und Raketen brechen.
Ich habe schon gesagt, dass man die Zerstörung der Frauenkirche 1945 und Putins Versuch, die Ukraine als Nation zu zerstören, nicht vergleichen kann. Was die Frauenkirche und ihren Wiederaufbau angeht, kann man aber sicherlich sagen, dass die Kultur und die Menschlichkeit am Ende den längeren Atem haben.
„Stronger than bombs“ ist keine laute Ausstellung, im Gegenteil, sie bricht mit den Klischees der Bildwelten, die wir gemeinhin mit Kriegsfotografie verbinden. Panzer und Schlachtfeldpanoramen sucht der Betrachter vergeblich; stattdessen scheint eine irrationale Ruhe zu herrschen, als ob die Zeit für einen kleinen Moment stillsteht.
Vielleicht liegt das daran, dass bei der Auswahl nicht der reine Informationswert im Vordergrund stand. Ich denke da an ein Bild der ukrainischen Fotografin Katya Moskalyuk. Das Foto sieht auf den ersten Blick aus wie ein normaler Gottesdienst mit einer Jesusfigur in der Bildmitte. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man, dass über der Figur eine Art Stoffrolle angebracht ist, um sie im Falle eines Angriffs vor Splittern zu schützen. In der Bildbeschreibung erfahren wir, dass wir gerade Zeugen eines Trauergottesdienstes für gefallene Soldaten in einer Militärkirche sind. Das ist auf den ersten Blick ein sehr ruhiges Bild, das eine Situation zeigt, die sich gar nicht so sehr von einem normalen Gottesdienst in Deutschland unterscheidet. Rein visuell mag der Unterschied gering sein, in Wirklichkeit ist er aber enorm. Wir leben zwar in derselben Realität, aber gleichzeitig ist sie in der Ukraine eine völlig andere als in Deutschland.
Man kann lange darüber diskutieren, inwieweit die Zerstörung ukrainischer Kirchen und Kulturgüter systematisch durch die russische Armee passiert oder ob es sich manchmal auch um Kollateralschäden handelt. Richtig ist, dass die unwiederbringliche Zerstörung ukrainischer Kultur das Land in seiner Emanzipation von Russland zurückwirft. Es ist der Krieg, der zur Zerstörung führt. Und der Krieg wurde von Russland begonnen.
Die Ausstellung „Stronger than Bombs“ läuft noch bis zum 20. November 2024. Der Eintritt ist kostenlos. Parallel zur Ausstellung findet am Donnerstag, 10. Oktober ab 19.30 Uhr ein Abend mit Gesprächen und Interviews über den Schutz, das Gestalten und den Wiederaufbau ukrainischer Kulturgüter im Lichte der andauernden russischen Invasion statt. Am Freitag, 25. Oktober 2024 zeigt die Stiftung Frauenkirche Dresden ab 19.30 Uhr den Oscar-prämierten Dokumentarfilm „20 Days in Mariupol“ über die ersten 20 Tage der russischen Belagerung der Stadt Mariupol. Im Anschluss findet eine Diskussion mit den Filmemachern statt.
Die Fotoausstellung „Stronger than Bombs“ in der Dresdner Frauenkirche zeigt bis zum 20. November die Folgen des russischen Angriffskrieges für die ukrainische Kultur. Die großformatigen Bilder zeigen die Folgen des Terrors, mit dem die russische Armee die Ukraine seit zwei Jahren überzieht. Sie zeigen aber auch, wie sich Künstlerinnen und Künstler, Freiwillige und Bürger der russischen Aggression widersetzen, um ihre kulturelle Identität zu bewahren. Für die Ausstellung hat das europäische Journalismus-Netzwerk n-ost im Auftrag der Stiftung Frauenkirche Dresden mit hochkarätigen internationalen Fotografinnen und Fotografen zusammengearbeitet. n-ost unterstützt ukrainische Journalisten seit 2022 verstärkt in der internationalen Zusammenarbeit und fördert den regionalen Journalismus in der Ukraine. Ein Gespräch mit Stefan Günther, Kurator der Ausstellung, über Bilder, auf denen die Zeit stillzustehen scheint, und den unbändigen Willen der Ukrainer, ihre Identität gegen den russischen Angriff zu verteidigen.
Das Journalistennetzwerk n-ost hat zuletzt immer wieder Ausstellungen an ungewöhnlichen Orten präsentiert. 2022 zeigten die Kuratoren mit „Next station Ukraine“ in der U-Bahnstation Rosenthaler Platz in Berlin Bilder von Menschen, die sich in Kyjiw in die dortige U-Bahn geflüchtet haben, um sich vor der Bombardierung durch die russische Armee zu schützen. Jetzt zeigt das Netzwerk Bilder international renommierter Fotojournalistinnen und Fotojournalisten, die die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für die ukrainische Kultur dokumentieren. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, diese Bilder ausgerechnet in der Dresdner Frauenkirche zu zeigen?
Tatsächlich ist das U-Bahn-Projekt, das nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg, Düsseldorf und Köln lief, der Ausgangspunkt für das Projekt in der Frauenkirche. Die Stiftung der Frauenkirche hat das Projekt in Berlin gesehen und uns gefragt, ob wir uns etwas Ähnliches in Dresden vorstellen können. Wir haben spontan zugesagt. Ohnehin wollten wir die Ausstellung auch in die neuen Bundesländer bringen, aber die Sache hatte einen Haken: Ostdeutsche Städte haben keine U-Bahn. Mit der Frauenkirche hatten wir zwar einen großartigen Raum, mussten aber trotzdem das gesamte Ausstellungskonzept komplett neu denken. Eine Idee, die Andreas Dieterich von der Stiftung selbst eingebracht hat, war, sich auf Schutzsuchende zu fokussieren. Das war naheliegend, zumal die Unterkirche früher auch als Schutzraum genutzt wurde. Wir haben diese Idee dann weitergedacht und um Religions- und Kulturstätten ergänzt, denn in der Ukraine wird beides immer wieder Ziel von Angriffen und Bombardements. Teils absichtlich, teils weil sie an der Frontlinie liegen.
Auch die Frauenkirche wurde durch die Luftangriffe vom 13. und 14. Februar 1945 so stark beschädigt, dass sie schließlich einstürzte…
Genau. Und gleichzeitig ist Dresden eben auch diese Kulturstadt, die man auf der ganzen Welt kennt. Die Frauenkirche ist ja nicht nur Symbol für die Zerstörung einer Kirche im Krieg, sondern sie steht als Symbol auch für die verheerenden Folgen eines Krieges für die Kultur des angegriffenen Landes. Mir ist es aber sehr wichtig, an dieser Stelle zu unterscheiden: Nazideutschland hat den Zweiten Weltkrieg angefangen und wurde in der Konsequenz von den Briten auf eigenem Gebiet angegriffen. Die Ukraine wurde von Russland überfallen. Das ist ein großer Unterschied.
Ihr habt mit Partnern in Dresden zusammengearbeitet, unter anderem mit dem Ukrainischen Institut.
Ich habe das als großes Glück empfunden, mit ukrainischen Partnern zusammenzuarbeiten. Bei so einer Ausstellung geht es auch immer um sehr spezifische Perspektiven, die wir mit unserem westlichen Blick manchmal nicht nachvollziehen können. Es gibt Bilder in der Ausstellung, die man als Deutscher nicht sofort versteht, die aber im ukrainischen Kontext sehr wichtig sind. Unsere ukrainischen Partner haben da eine sehr wichtige Übersetzungsarbeit geleistet. Dieser Abgleich ist enorm wichtig, nicht nur bei den Bildern selbst, sondern auch bei den Bilderklärungen. Wir haben dafür mit einer ukrainischen Autorin zusammengearbeitet, um die ukrainische Perspektive konzeptionell mitzudenken.
Du hast die Ausstellung kuratiert. Wie gehst du dabei vor, und was ist dir besonders wichtig zu zeigen?
Das Besondere von Ausstellungen an öffentlichen Orten ist, dass man potenziell sehr viele Menschen erreicht. Damit geht aber auch eine besondere Verantwortung einher, weil man Leute auf etwas stößt, das sie eigentlich gar nicht geplant hatten zu sehen. Für mich war klar, dass wir zwar die Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine zeigen wollten, aber eher auf eine subtilere Art und Weise, die die Menschen nicht abstößt oder erschreckt. Mit drastischer Kriegsfotografie erzielt man vielleicht einen kurzfristigen Effekt, aber man erreicht die Leute nicht darüber hinaus, weil sie sich abwenden und weitergehen. Kern des Ausstellungskonzepts ist, dass man sich an einem sakralen Ort befindet und sich in diesem besonderen Kontext zu der Situation ähnlicher Orte in der Ukraine in Beziehung setzt.
Die Ausstellung selbst hat drei Ebenen: Vor der Kirche haben wir einen vier Meter hohen Aufsteller, der ein Standbild des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko, eingehüllt in Sandsäcke, zeigt. In der Kirche selbst haben wir rechts und links des Altars zwei zerstörte Kirchen, darunter auf der rechten Seite die Verklärungskathedrale von Odessa, die nun schon zum zweiten Mal zerstört wurde – 1936 auf Anweisung Stalins und 2023 durch Putins Armee.
Kernstück der Ausstellung ist die Unterkirche. Dort zeigen wir 12 Fotografien von renommierten ukrainischen und internationalen Fotografinnen und Fotografen. Dort sehen wir einerseits Zerstörung, andererseits aber auch, wie Freiwillige eine orthodoxe Ikone durch ein Treppenhaus in Sicherheit bringen, und wir sehen Tänzerinnen vom Nationalballett in Lwiw, die sich auf einen Auftritt vorbereiten. Wir sehen, wie Menschen Dinge in Sicherheit bringen, die für die ukrainische Kultur und Identität von großer Bedeutung sind. Ein Bild zeigt ein Symphonieorchester in der Totalen, eigentlich ein ganz gewöhnliches Bild auf den ersten Blick. Wer genauer hinschaut, sieht, dass vor der Bühne Hilfsgüter aufgestapelt sind.
Wir zeigen nicht nur Zerstörung, sondern auch die Stärke der Kultur. Daher stammt auch der Titel der Ausstellung. Natürlich kann man versuchen, Konzerthäuser, Theater und Kirchen zu zerstören, aber es gibt eben auch diese besondere Stärke der Menschen selbst und ihren Willen, die eigene Kultur zu schützen. Beides lässt sich nicht durch Bomben und Raketen brechen.
Ich habe schon gesagt, dass man die Zerstörung der Frauenkirche 1945 und Putins Versuch, die Ukraine als Nation zu zerstören, nicht vergleichen kann. Was die Frauenkirche und ihren Wiederaufbau angeht, kann man aber sicherlich sagen, dass die Kultur und die Menschlichkeit am Ende den längeren Atem haben.
„Stronger than bombs“ ist keine laute Ausstellung, im Gegenteil, sie bricht mit den Klischees der Bildwelten, die wir gemeinhin mit Kriegsfotografie verbinden. Panzer und Schlachtfeldpanoramen sucht der Betrachter vergeblich; stattdessen scheint eine irrationale Ruhe zu herrschen, als ob die Zeit für einen kleinen Moment stillsteht.
Vielleicht liegt das daran, dass bei der Auswahl nicht der reine Informationswert im Vordergrund stand. Ich denke da an ein Bild der ukrainischen Fotografin Katya Moskalyuk. Das Foto sieht auf den ersten Blick aus wie ein normaler Gottesdienst mit einer Jesusfigur in der Bildmitte. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man, dass über der Figur eine Art Stoffrolle angebracht ist, um sie im Falle eines Angriffs vor Splittern zu schützen. In der Bildbeschreibung erfahren wir, dass wir gerade Zeugen eines Trauergottesdienstes für gefallene Soldaten in einer Militärkirche sind. Das ist auf den ersten Blick ein sehr ruhiges Bild, das eine Situation zeigt, die sich gar nicht so sehr von einem normalen Gottesdienst in Deutschland unterscheidet. Rein visuell mag der Unterschied gering sein, in Wirklichkeit ist er aber enorm. Wir leben zwar in derselben Realität, aber gleichzeitig ist sie in der Ukraine eine völlig andere als in Deutschland.
Man kann lange darüber diskutieren, inwieweit die Zerstörung ukrainischer Kirchen und Kulturgüter systematisch durch die russische Armee passiert oder ob es sich manchmal auch um Kollateralschäden handelt. Richtig ist, dass die unwiederbringliche Zerstörung ukrainischer Kultur das Land in seiner Emanzipation von Russland zurückwirft. Es ist der Krieg, der zur Zerstörung führt. Und der Krieg wurde von Russland begonnen.
Die Ausstellung „Stronger than Bombs“ läuft noch bis zum 20. November 2024. Der Eintritt ist kostenlos. Parallel zur Ausstellung findet am Donnerstag, 10. Oktober ab 19.30 Uhr ein Abend mit Gesprächen und Interviews über den Schutz, das Gestalten und den Wiederaufbau ukrainischer Kulturgüter im Lichte der andauernden russischen Invasion statt. Am Freitag, 25. Oktober 2024 zeigt die Stiftung Frauenkirche Dresden ab 19.30 Uhr den Oscar-prämierten Dokumentarfilm „20 Days in Mariupol“ über die ersten 20 Tage der russischen Belagerung der Stadt Mariupol. Im Anschluss findet eine Diskussion mit den Filmemachern statt.
Weitere Informationen: www.frauenkirche-dresden.de/stronger-than-bombs