Der Aufwand für den großen Auftritt. Seit jeher haben Dresdner ein Gespür für große Auftritte und die Wirkung perfekter Roben. Heutzutage dank junger Designer auch für Nicht-Fürsten möglich! Eine Stilzeitreise. Von Maren Soehring
Von Maren Soehring
Kleider machen nicht nur Leute …
… sondern prägen ganze Dynastien. Den schimmernden Seidenatlas importierte man selbstverständlich aus Italien. Die feine Spitze aus Gold- und Silberfäden klöppelten dagegen die größten Könner im heimischen Sachsen, während der Schnitt wiederum ein italienischer war: Das Modebusiness war bereits in der Renaissance international und das in Goldgelb und Lachsrot schimmernde Kleid der Magdalena Sibylla von Sachsen der dernier cri um 1610. Zwar ist nicht überliefert, zu welchem Anlass die Kurfürstin diese Robe trug, aber sicher machte das kostbare Gewand bei den Anwesenden ordentlich Eindruck. Dass die sächsischen Regenten nicht nur äußerst macht-, sondern auch modebewusst waren, zeigt die neue Ausstellung „Kurfürstliche Garderobe“ im Residenzschloss: 27 Prunkstücke, alle spektakulär und wertvoll, haben die Staatlichen Kunstsammlungen aus dem Depot geholt und detailgetreu aufgearbeitet. Allein sieben Jahre dauerte es, den Herrenrock samt hautengem Wams, Hose und Strümpfen von Kurfürst Moritz zu restaurieren, unterstützt von der Abegg-Stiftung. Dem 164 Zentimeter großen Fürsten auf den Leib geschneidert hatte es Nicol Basemer, um 1550 der Chefdesigner am Wettiner Hof.
Ich lasse mich von alten Zeitschriften oder Filmen anregen, aber auch dieses Viertel mit seinen historischen Bürgerhäusern, den vielen kleinen Läden und Manufakturen inspiriert mich.
Silvia Klos, Inhaberin des Couture-Labels „Calesco“
Seine modernen Nachfolgerinnen residieren heute auf der anderen Elbseite, im Neustädter Barockviertel. Im Obergraben hat Silvia Klos ihr Couture-Label „Calesco“ samt angrenzendem Atelier. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutet: Ich werde warm – spezialisiert hat sie sich auf „herzerwärmende“ Brautmode. Bräute aus ganz Deutschland lassen sich hier einkleiden, verbinden den Kauf einer Robe aus Seide und Plauener Spitze oft mit einem Kurzurlaub. Klos’ zeitlos-mondäne Kreationen zitieren gerne vergangene Epochen: „Ich lasse mich von alten Zeitschriften oder Filmen anregen, aber auch dieses Viertel mit seinen historischen Bürgerhäusern, den vielen kleinen Läden und Manufakturen inspiriert mich.“
Rüstkammer; Staatliche Kunstsammlungen Dresden Elke Estel/Hans Peter Klut/Abegg-Stiftung Riggisberg
Links: Couture Pracht – Lachsrosé und Gold für Kurfürstin Magdalena Sibylla. Im Gegensatz zu Festroben für Männer sind Damenprunkkleider aus der Renaissance kaum noch erhalten – ein Unikat von 1610/20.
Mitte: Nadelmalereien – Feinste Stickereien auf dem blaugrünen Seidenatlas zeigen Landschaften sowie „Seefarten, Ackerbau, Menschen und Thiere“. Kurfürst Johann Georg I. trug dieses Prachtstück um 1611.
Rechts: Streifen-Schick – Gelber Damast aus Florenz, besetzt mit blau-schwarzem Seidensamt und Goldgespinst, hochgeschlossenes Wams – dazu kombinierte der Kurfürst um 1550 stilsicher hippe Hüftshorts und hautenge Lederstrümpfe.
Dorothea Michalk / Stichpunkt
Links: Dorothea Michalk – Wenn es um das perfekte Kleid geht, hat sich in den letzten 400 Jahren gar nicht viel geändert: Von der Stoffqualität bis zur letzten Naht steckt richtig viel Raffinesse in Michalks Kollektionen. dorothea-michalk.de
Rechts: StichPunkt – „Be kokong“, übersetzt „sei schön“, heißt das kleine, von verschiedensten Kulturen inspirierte Indie-Label von Sevdije Binaku. Seit sechs Jahren entwirft sie „abendtaugliche Alltagsmode“ aus edlen Stoffen, verkauft die Kleinserien in ihrem Laden. Dort gibt es auch Maßanfertigungen, personalisierte Schnittmuster sowie feine Stoffe – und ab Frühjahr 2017 die erste Herrenkollektion. stichpunkt-dresden.de
Unipolar / Ruttloff Denim
Links: Unipolar – Fashion für Forscher war eine Marktlücke, die der Physiker Steve Kupke geschlossen hat. Seine Motive (links: Goethes Farbenkreis von 1809) druckt er selbst auf fair gehandelte T-Shirts. uni-polar.de
Rechts: Ruttloff Denim – Ein junger Mann und 20 teils betagte Maschinen machen’s möglich: Die schwierige Suche nach der perfekt sitzenden Jeans ist endgültig vorbei. Fünf Grund-Schnittmuster für Herren und Damen und rund 50 Stoffe aus Japan hält der junge Designer Johann Ruttloff bereit. Maß genommen und genäht wird im neuen Atelier in der Dresdner Neustadt. ruttloff-denim.de
Um die Ecke in der Rähnitzgasse betreibt Dorothea Michalk ihr gleichnamiges Label. Die gebürtige Bautzenerin hat sich auf (Fest-)Kleider spezialisiert und ist so etwas wie die Hofschneiderin der Dresdner Gesellschaft. Regelmäßig zum Semper-Opernball näht sie mit ihren beiden Angestellten die Nächte durch, alle Roben sind handmade in Dresden, die von der Großmutter geerbte Nähmaschine der DDR-Marke Textima rattert dann Überstunden in Michalks offenem Atelier.
Ideen für ihre Entwürfe findet sie in der Natur und auf Reisen. Oft sind es die Materialien – hauchzarte Chiffons oder filigrane Spitze – die in ihrem Kopf Schnitte und Designs entstehen lassen. Die kostbaren Stoffe entdeckt sie überall in Europa. Ihre teuerste Seide kommt aus England: Das britische Traditionsunternehmen James Hare stattet auch das dortige Königshaus aus. Bezahlt wird pro Gramm! Eine Preisbildung, die den Kurfürsten wahrscheinlich ebenfalls geläufig war. Schließlich durchwirken ihre Edelroben echte Goldfäden.
Dorothea Michalk
Store & Atelier, Rähnitzgasse 18
dorothea-michalk.de
Calesco Couture
Silvia Klos, Obergraben 11
calesco-couture.de
Kurfürstliche Garderobe
Eröffnung der Dauerausstellung: Residenzschloss
skd.museum
7.4.2017
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Der Aufwand für den großen Auftritt. Seit jeher haben Dresdner ein Gespür für große Auftritte und die Wirkung perfekter Roben. Heutzutage dank junger Designer auch für Nicht-Fürsten möglich! Eine Stilzeitreise. Von Maren Soehring
Von Maren Soehring
Kleider machen nicht nur Leute …
… sondern prägen ganze Dynastien. Den schimmernden Seidenatlas importierte man selbstverständlich aus Italien. Die feine Spitze aus Gold- und Silberfäden klöppelten dagegen die größten Könner im heimischen Sachsen, während der Schnitt wiederum ein italienischer war: Das Modebusiness war bereits in der Renaissance international und das in Goldgelb und Lachsrot schimmernde Kleid der Magdalena Sibylla von Sachsen der dernier cri um 1610. Zwar ist nicht überliefert, zu welchem Anlass die Kurfürstin diese Robe trug, aber sicher machte das kostbare Gewand bei den Anwesenden ordentlich Eindruck. Dass die sächsischen Regenten nicht nur äußerst macht-, sondern auch modebewusst waren, zeigt die neue Ausstellung „Kurfürstliche Garderobe“ im Residenzschloss: 27 Prunkstücke, alle spektakulär und wertvoll, haben die Staatlichen Kunstsammlungen aus dem Depot geholt und detailgetreu aufgearbeitet. Allein sieben Jahre dauerte es, den Herrenrock samt hautengem Wams, Hose und Strümpfen von Kurfürst Moritz zu restaurieren, unterstützt von der Abegg-Stiftung. Dem 164 Zentimeter großen Fürsten auf den Leib geschneidert hatte es Nicol Basemer, um 1550 der Chefdesigner am Wettiner Hof.
Seine modernen Nachfolgerinnen residieren heute auf der anderen Elbseite, im Neustädter Barockviertel. Im Obergraben hat Silvia Klos ihr Couture-Label „Calesco“ samt angrenzendem Atelier. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutet: Ich werde warm – spezialisiert hat sie sich auf „herzerwärmende“ Brautmode. Bräute aus ganz Deutschland lassen sich hier einkleiden, verbinden den Kauf einer Robe aus Seide und Plauener Spitze oft mit einem Kurzurlaub. Klos’ zeitlos-mondäne Kreationen zitieren gerne vergangene Epochen: „Ich lasse mich von alten Zeitschriften oder Filmen anregen, aber auch dieses Viertel mit seinen historischen Bürgerhäusern, den vielen kleinen Läden und Manufakturen inspiriert mich.“
Links: Couture Pracht – Lachsrosé und Gold für Kurfürstin Magdalena Sibylla. Im Gegensatz zu Festroben für Männer sind Damenprunkkleider aus der Renaissance kaum noch erhalten – ein Unikat von 1610/20.
Mitte: Nadelmalereien – Feinste Stickereien auf dem blaugrünen Seidenatlas zeigen Landschaften sowie „Seefarten, Ackerbau, Menschen und Thiere“. Kurfürst Johann Georg I. trug dieses Prachtstück um 1611.
Rechts: Streifen-Schick – Gelber Damast aus Florenz, besetzt mit blau-schwarzem Seidensamt und Goldgespinst, hochgeschlossenes Wams – dazu kombinierte der Kurfürst um 1550 stilsicher hippe Hüftshorts und hautenge Lederstrümpfe.
Links: Dorothea Michalk – Wenn es um das perfekte Kleid geht, hat sich in den letzten 400 Jahren gar nicht viel geändert: Von der Stoffqualität bis zur letzten Naht steckt richtig viel Raffinesse in Michalks Kollektionen. dorothea-michalk.de
Rechts: StichPunkt – „Be kokong“, übersetzt „sei schön“, heißt das kleine, von verschiedensten Kulturen inspirierte Indie-Label von Sevdije Binaku. Seit sechs Jahren entwirft sie „abendtaugliche Alltagsmode“ aus edlen Stoffen, verkauft die Kleinserien in ihrem Laden. Dort gibt es auch Maßanfertigungen, personalisierte Schnittmuster sowie feine Stoffe – und ab Frühjahr 2017 die erste Herrenkollektion. stichpunkt-dresden.de
Links: Unipolar – Fashion für Forscher war eine Marktlücke, die der Physiker Steve Kupke geschlossen hat. Seine Motive (links: Goethes Farbenkreis von 1809) druckt er selbst auf fair gehandelte T-Shirts. uni-polar.de
Rechts: Ruttloff Denim – Ein junger Mann und 20 teils betagte Maschinen machen’s möglich: Die schwierige Suche nach der perfekt sitzenden Jeans ist endgültig vorbei. Fünf Grund-Schnittmuster für Herren und Damen und rund 50 Stoffe aus Japan hält der junge Designer Johann Ruttloff bereit. Maß genommen und genäht wird im neuen Atelier in der Dresdner Neustadt. ruttloff-denim.de
Um die Ecke in der Rähnitzgasse betreibt Dorothea Michalk ihr gleichnamiges Label. Die gebürtige Bautzenerin hat sich auf (Fest-)Kleider spezialisiert und ist so etwas wie die Hofschneiderin der Dresdner Gesellschaft. Regelmäßig zum Semper-Opernball näht sie mit ihren beiden Angestellten die Nächte durch, alle Roben sind handmade in Dresden, die von der Großmutter geerbte Nähmaschine der DDR-Marke Textima rattert dann Überstunden in Michalks offenem Atelier.
Ideen für ihre Entwürfe findet sie in der Natur und auf Reisen. Oft sind es die Materialien – hauchzarte Chiffons oder filigrane Spitze – die in ihrem Kopf Schnitte und Designs entstehen lassen. Die kostbaren Stoffe entdeckt sie überall in Europa. Ihre teuerste Seide kommt aus England: Das britische Traditionsunternehmen James Hare stattet auch das dortige Königshaus aus. Bezahlt wird pro Gramm! Eine Preisbildung, die den Kurfürsten wahrscheinlich ebenfalls geläufig war. Schließlich durchwirken ihre Edelroben echte Goldfäden.
Dorothea Michalk
Store & Atelier, Rähnitzgasse 18
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