Wohin Dresden steuert und wer hier Kurs hält: wirtschaftlich, wissenschaftlich und kulturell – Gespräche mit denen, die all das am besten wissen. Ein Interview mit Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert und der Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch. Von Siiri Klose
Was ist bloß los mit dieser Stadt?
Der Ruf Dresdens hat in den vergangenen Monaten vor allem durch Pegida stark gelitten. Wie geht die Stadt, wie gehen Sie damit um? Hilbert: Das ist unsere größte Herausforderung. In Dresden treten Konflikte offen zutage, die in anderen Teilen des Landes auch da sind. Trotzdem bestimmen einige hundert Krakeeler zurzeit das Bild von über 500.000 Einwohnern. Es gibt berechtige Sorgen und Ängste in der Bevölkerung. Es gibt Zweifel, dass die Politik darauf die richtigen Antworten findet. Das nehme ich sehr ernst. Ich werde dennoch nicht akzeptieren, dass gesellschaftliche Debatten genutzt werden, um Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu schüren. Deswegen habe ich ein ganzes Programm aufgelegt, wie wir der drohenden Spaltung innerhalb der Bürgerschaft entgegenwirken können. Dazu gehören konkrete Projekte im Bereich Ordnung und Sicherheit genauso wie Konferenzen, in denen sich Bürger und Politik auf Augenhöhe begegnen.
Aber lässt sich der Imageschaden so beheben? Hilbert: Nicht von heute auf morgen. Aber wir werden an Themen arbeiten, die andere deutsche Städte vielleicht erst in einigen Monaten oder Jahren offen diskutieren. Wenn uns diese Offenheit schon jetzt gelingt, dann wird uns das als Stadtgesellschaft stärken. Klepsch: Die aktuelle Situation in Dresden hat uns auch gezeigt, wo wir beispielsweise in der Kommunikation noch Defizite haben. Wir sollten nicht versuchen, den Imageschaden nur durch schöne Bilder zu überdecken, sondern ehrlich damit umgehen. In die Stadtgesellschaft hinein gilt es, eine öffentliche Debatte darüber zu führen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Der Diskussion muss man sich stellen und gegebenenfalls unbequeme Meinungen ertragen. Akzeptierte allgemeingültige Werte des Zusammenlebens sollten dabei beachtet und durchgesetzt werden. Niemand muss es ertragen, unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit niedergebrüllt und beleidigt zu werden. Die Kunst- und Kultureinrichtungen können dabei eine Plattform bieten und mit ihren Mitteln zur Debatte beitragen. Hilbert: Wir verzahnen unseren Bürgerdialog auch ganz bewusst mit Themen wie der Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2025 oder dem Prozess Zukunftsstadt.
In Dresden sind die Verwerfungen und Brüche, die ganz Europa beschäftigen, besonders deutlich zu spüren.
Annekatrin Klepsch
Was umfasst die Kulturhauptstadtbewerbung? Klepsch: Da gibt es drei Leitlinien: Zum einen geht es um eine neue Identität, einen neuen Zusammenhalt für die Stadtgesellschaft. Zweitens sehen wir eine Chance, eine Debatte über die Zukunft Europas anzustoßen, denn in Dresden sind die Verwerfungen und Brüche, die ganz Europa beschäftigen, ja besonders deutlich zu spüren. Drittens setzen wir auf Interdisziplinarität: Dresden als Stadt von Kunst und Wissenschaft, Kunst und Innovation, Kunst und Kultur.
Was beinhaltet das Zukunftsstadt-Projekt? Hilbert: Das deutsche Forschungsministerium rief 2015 alle deutschen Städte und Regionen zum Wettbewerb „Zukunftsstadt“ auf. Im Hinblick auf das Jahr 2030 sollten sie die Stadtentwicklungs-Visionen ihrer Wissenschaftseinrichtungen zu Themen wie Mobilität, Urbanität, Ökologie oder Erreichbarkeit bündeln und verknüpfen. Dresden ist jetzt in der zweiten Runde.
Erst in der Ferne wurde mir bewusst, was für ein sensationelles Kultur- und Freizeitangebot Dresden hat und was für ein wunderschönes Umland!
Dirk Hilbert
Wie binden Sie die Dresdner in diese beiden Projekte ein? Klepsch: Wir sind 2016 bei der Kulturhauptstadtbewerbung mit einer Multiplikatorenrunde gestartet und haben das Gespräch mit Einrichtungen aus Kultur, Wissenschaft, Tourismus, Vereinen, Sport etc. gesucht. Bis Ende 2017 sind wir mit einem gelben Faltpavillon zur Kulturhauptstadt in den Stadtteilen unterwegs und sprechen mit Dresdnerinnen und Dresdnern. Dann können wir auch die Postkarten- und Online-Kampagne auswerten, in der wir die Menschen fragten: Was ist für Sie Kultur? Was sind Stärken und Schwächen Dresdens? Die Antworten fließen in unsere Programmbausteine für das Bewerbungsbuch, das wir bis Ende 2018 entwickeln.
Sie haben beide ein paar Jahre in anderen Städten gelebt. Was sieht man aus der Ferne schärfer an Dresden? Hilbert: Erst in der Ferne wurde mir bewusst, was für ein sensationelles Kultur- und Freizeitangebot Dresden hat und was für ein wunderschönes Umland! Klepsch: Einzigartig an Dresden sind die Elbwiesen, verwoben mit der Architektur und Kultur ringsherum. Das ist es, was ich anderswo vermisst habe.
Annekatrin Klepsch
geboren 1977 in Dresden, studierte in Leipzig und Wien Soziologie, Theater- und Kulturwissenschaften. Arbeitete als Redakteurin, Dramaturgin und Projektleiterin der Jugendhilfe. Von 2009–15 für Die Linke im Sächsischen Landtag und im Dresdner Stadtrat. Seit 2015 ist Dresdens Zweite Bürgermeisterin Beigeordnete für Kultur und Tourismus.
Dirk Hilbert
geboren 1971 in Dresden, absolvierte sein Wirtschaftsingenieur-Studium an der TU Dresden und arbeitete dann in Köln und Berlin. Ab 2001 Beigeordneter für Wirtschaft in Dresden und seit 2008 Erster Bürgermeister. Von 2011–12 war er kommissarischer, seit 2015 ist er amtierender Oberbürgermeister.
Barocke Gemütlichkeit und überschwängliche Lebensfreude, krasse Gegensätze und unübersehbare Tradition: „Liebes Dresden“ bringt die Einzigartigkeit der Stadt auf den Punkt,…
Wohin Dresden steuert und wer hier Kurs hält: wirtschaftlich, wissenschaftlich und kulturell – Gespräche mit denen, die all das am besten wissen. Ein Interview mit Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert und der Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch. Von Siiri Klose
Was ist bloß los mit dieser Stadt?
Der Ruf Dresdens hat in den vergangenen Monaten vor allem durch Pegida stark gelitten. Wie geht die Stadt, wie gehen Sie damit um?
Hilbert: Das ist unsere größte Herausforderung. In Dresden treten Konflikte offen zutage, die in anderen Teilen des Landes auch da sind. Trotzdem bestimmen einige hundert Krakeeler zurzeit das Bild von über 500.000 Einwohnern. Es gibt berechtige Sorgen und Ängste in der Bevölkerung. Es gibt Zweifel, dass die Politik darauf die richtigen Antworten findet. Das nehme ich sehr ernst. Ich werde dennoch nicht akzeptieren, dass gesellschaftliche Debatten genutzt werden, um Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu schüren. Deswegen habe ich ein ganzes Programm aufgelegt, wie wir der drohenden Spaltung innerhalb der Bürgerschaft entgegenwirken können. Dazu gehören konkrete Projekte im Bereich Ordnung und Sicherheit genauso wie Konferenzen, in denen sich Bürger und Politik auf Augenhöhe begegnen.
Aber lässt sich der Imageschaden so beheben?
Hilbert: Nicht von heute auf morgen. Aber wir werden an Themen arbeiten, die andere deutsche Städte vielleicht erst in einigen Monaten oder Jahren offen diskutieren. Wenn uns diese Offenheit schon jetzt gelingt, dann wird uns das als Stadtgesellschaft stärken.
Klepsch: Die aktuelle Situation in Dresden hat uns auch gezeigt, wo wir beispielsweise in der Kommunikation noch Defizite haben. Wir sollten nicht versuchen, den Imageschaden nur durch schöne Bilder zu überdecken, sondern ehrlich damit umgehen. In die Stadtgesellschaft hinein gilt es, eine öffentliche Debatte darüber zu führen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Der Diskussion muss man sich stellen und gegebenenfalls unbequeme Meinungen ertragen. Akzeptierte allgemeingültige Werte des Zusammenlebens sollten dabei beachtet und durchgesetzt werden. Niemand muss es ertragen, unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit niedergebrüllt und beleidigt zu werden. Die Kunst- und Kultureinrichtungen können dabei eine Plattform bieten und mit ihren Mitteln zur Debatte beitragen.
Hilbert: Wir verzahnen unseren Bürgerdialog auch ganz bewusst mit Themen wie der Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2025 oder dem Prozess Zukunftsstadt.
Was umfasst die Kulturhauptstadtbewerbung?
Klepsch: Da gibt es drei Leitlinien: Zum einen geht es um eine neue Identität, einen neuen Zusammenhalt für die Stadtgesellschaft. Zweitens sehen wir eine Chance, eine Debatte über die Zukunft Europas anzustoßen, denn in Dresden sind die Verwerfungen und Brüche, die ganz Europa beschäftigen, ja besonders deutlich zu spüren. Drittens setzen wir auf Interdisziplinarität: Dresden als Stadt von Kunst und Wissenschaft, Kunst und Innovation, Kunst und Kultur.
Was beinhaltet das Zukunftsstadt-Projekt?
Hilbert: Das deutsche Forschungsministerium rief 2015 alle deutschen Städte und Regionen zum Wettbewerb „Zukunftsstadt“ auf. Im Hinblick auf das Jahr 2030 sollten sie die Stadtentwicklungs-Visionen ihrer Wissenschaftseinrichtungen zu Themen wie Mobilität, Urbanität, Ökologie oder Erreichbarkeit bündeln und verknüpfen. Dresden ist jetzt in der zweiten Runde.
Wie binden Sie die Dresdner in diese beiden Projekte ein?
Klepsch: Wir sind 2016 bei der Kulturhauptstadtbewerbung mit einer Multiplikatorenrunde gestartet und haben das Gespräch mit Einrichtungen aus Kultur, Wissenschaft, Tourismus, Vereinen, Sport etc. gesucht. Bis Ende 2017 sind wir mit einem gelben Faltpavillon zur Kulturhauptstadt in den Stadtteilen unterwegs und sprechen mit Dresdnerinnen und Dresdnern. Dann können wir auch die Postkarten- und Online-Kampagne auswerten, in der wir die Menschen fragten: Was ist für Sie Kultur? Was sind Stärken und Schwächen Dresdens? Die Antworten fließen in unsere Programmbausteine für das Bewerbungsbuch, das wir bis Ende 2018 entwickeln.
Sie haben beide ein paar Jahre in anderen Städten gelebt. Was sieht man aus der Ferne schärfer an Dresden?
Hilbert: Erst in der Ferne wurde mir bewusst, was für ein sensationelles Kultur- und Freizeitangebot Dresden hat und was für ein wunderschönes Umland!
Klepsch: Einzigartig an Dresden sind die Elbwiesen, verwoben mit der Architektur und Kultur ringsherum. Das ist es, was ich anderswo vermisst habe.
Annekatrin Klepsch
geboren 1977 in Dresden, studierte in Leipzig und Wien Soziologie, Theater- und Kulturwissenschaften. Arbeitete als Redakteurin, Dramaturgin und Projektleiterin der Jugendhilfe. Von 2009–15 für Die Linke im Sächsischen Landtag und im Dresdner Stadtrat. Seit 2015 ist Dresdens Zweite Bürgermeisterin Beigeordnete für Kultur und Tourismus.
Dirk Hilbert
geboren 1971 in Dresden, absolvierte sein Wirtschaftsingenieur-Studium an der TU Dresden und arbeitete dann in Köln und Berlin. Ab 2001 Beigeordneter für Wirtschaft in Dresden und seit 2008 Erster Bürgermeister. Von 2011–12 war er kommissarischer, seit 2015 ist er amtierender Oberbürgermeister.
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