Wiedereröffnung der Gemäldegalerie

Frisches Licht für Alte Meister

Alte Meister Gemäldegalerie
Wiedereroeffnung der Gemaeldegalerie Alte Meister. © Oliver Killig

In der Gemäldegalerie Alte Meister hat sich nach sieben Sanierungsjahren vieles verändert. Die Skulpturensammlung ist dazugekommen, Besucher können die Sempergalerie auf neuen Wegen erkunden und die Alten Meister erstrahlen jetzt in ganz neuem Licht.

Ein Gastbeitrag von Siiri Klose

Alle sind ein bisschen aufgeregt: Die Schulklasse, die von ihrer Lehrerin gerade die Eintrittskarten ausgehändigt bekommt. Der Mann an der Kasse, der auf Englisch erklären soll, wo „The Chocolate Girl“ zu finden ist. Das Dresdner Instagram-Starlett Adrienne Koleszar, das auf der Suche nach dem wirkungsvollsten Selfie-Hintergrund Sempers Marmortreppe in 12-Zentimeter-High Heels erklimmt, ihre bequemen Boots baumeln griffbereit an der Hand ihres Begleiters. Keine Frage – die Besucher der Gemäldegalerie Alte Meister sind fast so spannend wie die Alten Meister selbst.

Wo geht’s hier zur Sixtinischen Madonna?

„Ist sie das da hinten?“ fragt eine elegante Mittfünfzigerin das Aufsichtspersonal – präziser werden muss sie nicht: Der erste Weg führt die allermeisten Besucher unter der Inschrift „Willkommen im Heiligtum der Kunst“ hindurch zu Raffaels Sixtinischer Madonna. Nur wer die Gemäldegalerie aus der Zeit vor ihrer Sanierung kennt, läuft erst mal in die falsche Richtung: Seit der sächsische König Friedrich August II. den Architekten Johann Gottfried Semper 1847 mit dem Bau eines Galeriegebäudes am Zwinger beauftragte, hatte die Sixtina – und mit ihr die gesamte italienischen Früh-, Hoch- und Spätrenaissance – ihren Platz in der Westseite der Galerie. Die niederländischen und altdeutschen Meister hingen in der Ostseite. Daran änderte sich auch nichts, als die Dresdner Gemälde 1955 nach zehn Jahren in Moskau zurück in das erst kriegszerstörte, dann wiederaufgebaute Gebäude zogen.

Besucher in der Galerie Alte Meister
Besucher in der wiedereröffneten Gemäldegalerie. Im Hintergrund: Raffael, Die Sixtinische Madonna, 1512/13 © Oliver Killig
Alte Meister Wiedereröffnung Gemäldegalerie Dresden
Oliver Killig
Blick in das Pastellkabinett. In der Mitte: Jean-Étienne Liotard, Das Schokoladenmädchen, um 1744/45
Alte Meister Gemäldegalerie Wiedereröffnung
David Brandt
Alte Meister in der Gemäldegalerie
Rembrandts
David Pinzer
Rembrandts „Ganymed in den Fängen des Adlers“ und Hendrick de Keysers „Weinendes Kind“ im Rembrandt-Saal

Raffaels Sixtina hängt jetzt auf der Ostseite

Doch im Verlauf der jüngsten Sanierungsarbeiten wanderten die Hauptwerke für eine Interimsausstellung in den Osten, und „da Altarbilder in Kirchen immer in den nach Osten ausgerichteten Chören, Apsiden etc. untergebracht sind, hat man die Sixtina mit ihrer zudem aufwändigen Rahmenkonstruktion in der Ostseite belassen“, sagt Roland Enke, Kurator der Gemäldegalerie Alte Meister und stellvertretender Direktor. Die klassische erdig-rote Wandbespannung, die ebenfalls schon Semper für die italienische Malerei vorsah, bildet auch dort wieder den Hintergrund für die Gemälde. Die Niederländer von Rembrandt bis Vermeer hängen vor Grünspan-Grün.

Besucherinnen Wiedereröffnung Gemäldegalerie Dresden © David Pinzer

Alte Meister erstrahlen in hellem Tageslicht

Die neue Hängung lässt all die Madonnen von Lorenzo di Credi, Correggio und Lorenzo Lotto, Garofalo und Giulio Romano, Andrea Mantegna und Palma Il Veccio in einem ganz neuen Licht erscheinen – im wahrsten Sinne des Wortes: Von dem Tageslicht, das jetzt die Säle und Gemälde so freundlich ausleuchtet, war lange Zeit nichts zu sehen. Dabei konzipierte Semper die Galerie mit hohen Rundbogenfenstern in der berühmten Neorenaissance-Fassade, Oberlichtern für die großen Säle im ersten Obergeschoss und für die Kabinette im zweiten schon allein deshalb, weil er zur Mitte des 19. Jahrhundert noch nicht mit Glühbirnen rechnen konnte.

Skulpturensammlung bis 1800 in Gemäldegalerie Dresden © David Brandt

Lichtkonzept und Klimatisierung: Herausforderung für das Baumanagement

Doch unproblematisch waren die Oberlichter nie: Die Sonne konnte blenden und die Räume aufheizen, im Winter kondensierte das Wasser an den Scheiben. Ein Sanierungsziel des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement war daher eine zeitgemäße Klimatisierung und eine besondere Art der Verglasung: Ein Mikroraster aus Gitterlamellen zwischen zwei Glasschichten reflektiert das direkt einfallende Südlicht und lässt das indirekte von Norden ungehindert durch. Eine zweite wirkungsvolle Idee lieferte Stephan Koja, der Direktor der Gemäldegalerie und Skulpturensammlung: Die Fensterrollos lassen sich nach oben statt nach unten schließen: „So fällt auch das Licht von oben auf den Boden und strahlt nicht auf die Bilder“, sagt er.

Neues Raumkonzept für intensives Kunsterleben

Doch nicht nur die Kunst, auch die Anlage des ganzen Hauses ist nun besser sichtbar. Im Obergeschoss erlaubt eine offene Raumfolge den Blick durch die gesamte Längsseite von 120 Metern. Der neue Treppenaufgang vom Empfangsbereich im Untergeschoss direkt in die Antikenhalle ergänzt Sempers Zugang zum West- um einen zum Ostflügel und fügt sich so sinnvoll in das Haus ein, als hätte es ihn schon immer gegeben.

Skulpturen und Gemälde: Eine Nachbarschaft, die neue Perspektiven eröffnet

Mit ihm wird die neu ins Haus integrierte „Skulpturensammlung bis 1800“ tatsächlich zu einem organischen Bestandteil der Galerie. Zumal die Skulpturen auch überall dort einen Platz gefunden haben, wo sie spannungsvoll mit den Gemälden korrespondieren und auch den erforschtesten unter den Alten Meistern eine neue Wendung geben: „Wir wissen beispielsweise, dass Rembrandt einige Kopfstudien von Hendrik de Keyser besaß“, sagt Koja: „und die SKD besitzt den Kopf eines weinenden Knabens de Keysers, der Rembrandt als Vorbild für seinen Ganymed gedient haben muss.“ Beide sind nun unmittelbar nebeneinander zu sehen und bilden im Westflügel das Pendant zur Sixtinischen Madonna im Osten.

Das „Schokoladenmädchen“ betrachten und dabei einen Kakao genießen

Jean-Étienne Liotard: Das Schokoladenmädchen, um 1744/45 © Oliver Killig

Das „Chocolate Girl“, Jean-Étienne Liotards „Schokoladenmädchen“ im Pastellkabinett, hat übrigens auch eine geniale Ergänzung gefunden: Im „Deutschen Saal“, den früher Holbein d. J. und Albrecht Dürer bewohnten, gibt es jetzt ein Galeriecafé. Mit riesigen Fenstern zum Zwingerhof – und natürlich mit heißer Schokolade auf der Karte.

Die Gemäldegalerie ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet (Montag geschlossen). Eintrittspreise: regulär 14 €, ermäßigt 10,50 €, unter 17 frei, ab 10 Pers. 12,50 €. Adresse: Dresdner Zwinger: Theaterplatz 1, 01067 Dresden

Bitte beachten Sie die Schließzeiten zur aktuellen Situation COVID-19.

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