Wie Glanz von altem Gold – die Sächsische Staatskapelle wird 475 Jahre alt

Fulminante Feierlichkeiten nicht nur im September

Foto: Matthias Creutziger

Die Sächsische Staatskapelle wird 475 Jahre alt − und zählt nach wie vor zu den führenden Klangkörpern der Welt. Wie ist es gelungen, dieses Maß an Qualität über all die Jahrhunderte aufrechtzuerhalten? Wir sind dem Geheimnis des gefeierten Orchesters auf den Grund gegangen.

„Orchester haben keinen Klang, den macht der Dirigent.“ So behauptete es der für seine scharfzüngigen Aphorismen bekannte Ausnahmedirigent Herbert von Karajan einst. Doch er konnte auch anders: Um die Sächsische Staatskapelle Dresden zu charakterisieren, fand der Klangvisionär diese schmeichelnden Worte: „Wie Glanz von altem Gold.“

Damit reiht sich von Karajan aber nur in eine lange Liste prominenter Bewunderer ein: Bereits im 18. Jahrhundert hob der Genfer Schriftsteller und Philosoph Jean-Jacques Rousseau die „ausgewogenste Besetzung“ und „die vollendete Ensembleleistung“ hervor. Ludwig van Beethoven adelte das Orchester 1823 gar als das beste in Europa. Und noch heute – mehr als viereinhalb Jahrhunderte nachdem der Komponist und Kantor Johann Walter das Orchester im Auftrag des Kurfürsten Moritz von Sachsen gründete – wählen international renommierte Musikkritiker die Sächsische Staatskapelle regelmäßig in die Top Ten der weltbesten Ensembles.

Aus der Fülle der herrlichen Erinnerungen rufen die Klänge dieses Meisterorchesters stets von neuem Gefühle innigster Dankbarkeit und Bewunderung wach.

Richard Strauss, 1948 über die Sächsische Staatskapelle

Wem also die Ehre zuteil wird, in diesem Orchester musizieren zu dürfen, kann sich nicht nur damit rühmen, in einem der führenden Klangkörper zu spielen – sondern auch in einem der ältesten. „Es ist schon bemerkenswert, dass ein Orchester eine solch nahtlose Geschichte, ohne nennenswerte Unterbrechungen, nachweisen kann und dabei ein so hohes, weltweites Ansehen genießt“, fasst der Orchesterdirektor Adrian Jones die Faszination zusammen, die von diesem Ensemble ausgeht.

Vielfältiges Begleitprogramm zum Jubiläum der Sächsischen Staatskapelle

Im September wird die Sächsische Staatskapelle Dresden ihrer langen Geschichte einen weiteren Höhepunkt hinzufügen. Denn die Feierlichkeiten anlässlich des 475. Jubiläums werden die gesamte Spielzeit bis zum Sommer 2024 andauern. Neben Konzerten beleuchtet ein hochkarätiges Begleitprogramm die Entwicklung des Orchesters. „Wir arbeiten an einer Festschrift, die beim Kamprad-Verlag erscheint und die letzten einhundert Jahre in der Kapellgeschichte beleuchten wird“, nennt Jones ein Beispiel.

Für Stardirigent Christian Thielemann ist es die letzte Konzertsaison bei der Sächsischen Staatskapelle. Foto: Matthias Creutziger

Geplant sind darüber hinaus auch mehrere Ausstellungen mit verschiedenen Themenschwerpunkten, die mithilfe von Partnern wie etwa den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden oder der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek realisiert werden. „Man darf auch nicht vergessen, dass es sich um Christian Thielemanns letzte Konzertsaison als Chefdirigent handelt. Er prägte das Orchester viele Jahre lang, das wollen wir natürlich würdigen“, so Jones. Der Berliner Dirigent übernahm 2012 die Leitung der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die von 2013 bis 2022 als Residenzorchester bei den 1967 von Herbert von Karajan gegründeten Osterfestspielen Salzburg wirkte.

Sächsische Staatskapelle blickt auf eine jahrhundertelange Blütezeit zurück

Derartige Tourneen gehörten von Anfang an zum Alltag der einstigen Hofkapelle, die die jeweiligen Kurfürsten zu Reichstagen und Staatsbesuchen mitnahmen. Unter dem Hofkapellmeister Heinrich Schütz (1585−1672) erreichte das Orchester trotz des Dreißigjährigen Krieges seine erste Blütezeit. Für Aufsehen sorgte das Ensemble 1719 bei einem Großereignis: Bei den Hochzeitsfeierlichkeiten des zum Katholizismus konvertierten Königs August III. wurde vom Orchester ein Facettenreichtum präsentiert, der Maßstäbe setzte: von Kirchenmusik über Opern, Ballett bis hin zur Kammermusik.

Die berühmte Semperoper ist die Spielstätte der Sächsischen Staatskapelle. Foto: Frank Exß

Dies zog die Aufmerksamkeit renommierter Komponisten auf sich. In den 1720er-Jahren äußerte Antonio Vivaldi seine Wertschätzung für das Orchester, indem er ihm das Concerto g-Moll RV 577 – Per l’Orchestra di Dresda widmete. Im Gegensatz zu Vivaldi besuchte Richard Strauss die Elbmetropole sogar persönlich: Bereits sein erster Aufenthalt 1883 führte zu einer engen Verbindung zum Ensemble, das in der Folgezeit neun Strauss-Opern uraufführte, darunter „Elektra“ (1909) und „Der Rosenkavalier“ (1911). Der Komponist stand darüber hinaus in Dresden häufig am Pult und widmete 1915 dem Orchester das Stück „Eine Alpensinfonie“, dessen Uraufführung er natürlich selbst dirigierte. „Aus der Fülle der herrlichen Erinnerungen meiner künstlerischen Laufbahn rufen die Klänge dieses Meisterorchesters stets von Neuem Gefühle innigster Dankbarkeit und Bewunderung wach“, notierte Strauss 1948.

Die Sächsische Staatskapelle entwickelt sich weiter

Abgesehen von der musikalischen Finesse und der Klangcharakteristik liegt das Geheimnis der Sächsischen Staatskapelle Dresden für Orchesterdirektor Adrian Jones aber auch noch in einer anderen Facette begründet: „Beeindruckend finde ich die künstlerische Eigenständigkeit, eine musikalische Erhabenheit und Tradition, welche die Dirigenten abrufen können. Für mich zeichnet sich Qualität nicht nur auf der Festkonzertbühne aus, sondern beispielsweise auch bei der Dienstagabendvorstellung einer viel gespielten Repertoire-Oper. Da realisiert man nicht nur die enorme Flexibilität und Wendigkeit der Musikerinnen und Musiker, sondern auch eine unbändige Spielfreude und Klangverliebtheit – und keinerlei Anflug von Routine! Wenn man einmal darauf achtet, merkt man, welche Glanzpunkte die Kapelle einer Oper zu verleihen vermag.“

Diese von Jones hervorgehobene Tradition geht mit der Verpflichtung einher, in der Jubiläumsspielzeit nicht nur zurückzuschauen: „Durch die Zusammenarbeit mit ausgewählten Musikvermittlungs- und Nachwuchsprojekten richten wir den Blick auch ganz klar auf die Zukunft und die Weiterentwicklung des Orchesters.“

TERMINE
Im Konzertkalender der Sächsischen Staatskapelle findet ihr alles Wichtige zu den Vorstellungen der Saison 23/24. Noch mehr Hintergrundinformationen gibt es im digitalen Konzertplan.