Wir Dresdner sind stolz auf unsere Stadt, wir sind stolz Dresdner zu sein. Da mag es verwundern, wenn der Dresdner zum Beweis für die Einzigartigkeit seiner Stadt ihre Schönheit ausgerechnet als Nachahmung beschreibt: Dresden, das ist Elbflorenz. Doch auch jenseits jeder schwärmerischen Verklärung waren und sind es die Einflüsse aus anderen Kulturen, die unsere Stadt geprägt haben. Von Jens Wonneberger
Seit Herder das Wort vom deutschen Florenz prägte und Kleist vom »italischen Himmel« schwärmte, fühlt man sich in Dresden südlich der Alpen. Dass Kleist selbst nie in Italien war, egal, man weiß, was man hat, auch Dank der Italiener, die nach Dresden kamen. Die Erbauer der Hofkirche und des Belvedere etwa, die in ihrem „italienischen Dörfchen“ an der Elbe wohnten, oder jene Künstler und Handwerker, die die Sgraffiti auf die Fassade des Schlosses zauberten, und nicht zuletzt die Schauspieler, Sänger und Musiker. Wer nicht selbst kommen konnte, den holte man, wie die Sixtinische Madonna, die in Dresden zu dem Juwel der Galerie wurde.
Andere reisten aus Dresden an die südlichen Sehnsuchtsorte, um zu lernen, wie es Architekten, Autoren und Maler seit Generationen taten. Johann Joachim Winckelmann zum Beispiel, der mit Hilfe seines italienischen Leibarztes nach Italien reiste, um dann die klassische Kunst zum Maßstab zu erheben. Denn es waren nicht nur Gebäude und Bilder, die Dresden und Italien verband, es war der Geist, die Ahnung von Schönheit. Dresden und Italien, das war eine Liebe, und es verwundert nicht, wenn der Dresdner, um die Schönheit seiner Stadt zu beweisen, auf die Bilder eines Italieners verweist: Dresden wird mit dem Canaletto-Blick gesehen.
Alte Bilder und moderner Tanz
Überhaupt, wer sich ein Bild vom alten Dresden und seiner Umgebung machen will, wird es oft mit den Augen von Ausländern tun, mit den Schweizern Anton Graff und Adrian Zingg zum Beispiel, später mit dem Österreicher Oskar Kokoschka, heute mit dem Wiener Perser Yadegar Asisi in dessen Panometer. Oder er reist mit dem dänischen Märchenerzähler Hans-Christian Andersen ins Sächsische Elbsandsteingebirge, was nichts anderes bedeutet, als in die Sächsische Schweiz.
Aus der Schweiz kamen nicht nur die ersten Zuckerbäcker. Ein Schweizer war es auch, mit dem am Anfang des letzten Jahrhunderts der moderne Tanz Einzug hielt. Die von Emile Jaques-Dalcroze gegründete Bildungsanstalt in der Gartenstadt Hellerau und Tänzerinnen wie Mary Wigman oder Gret Palucca machten ihn weltberühmt. In Hellerau fand der Franzose Paul Claudel seine Verehrer, probte der Schotte Neill seine pädagogischen Reformen, gründete der Österreicher Hegner seinen Verlag. Hellerau wurde das Bayreuth des Nordens, wobei die bayerische Festspielstadt ihren Ruf durch einen Sachsen erlangte: Richard Wagner.
Als sich Wagner in Dresden 1848 noch revolutionär gab und auf die Barrikaden ging, spielte ein Russe den »Oberfeuerwerker«. Der Anarchist Bakunin war aber nicht der einzige Russe, der Dresden zu verändern suchte. Als der Fürst Repnin-Wolkonski nach dem Rückzug französischer Truppen 1813 in Dresden residierte, reorganisierte er nicht nur das wirtschaftliche und politische Leben. Er erweiterte auch die Kunstakademie, verstaatlichte die Königliche Kapelle, baute den Großen Garten wieder auf und öffnete ihn für die Bevölkerung. Er ließ auch die Freitreppe zur Brühlschen Terrasse erbauen, welche die Dresdner gleich zum Balkon Europas erhoben.
Einem anderen Russen, dem Fürsten Putjatin, gelang es immerhin, ein Dresdner Original zu werden. Der Schriftsteller Dostojewski lebte da weitaus zurückgezogener, schrieb an seinen Dämonen und lieferte den Dresdnern darin eine weitere Bezeichnung für ihre Stadt: Ein Schatz in der Tabaksdose.
Dresdens orientalischer Zauber
Der Tabak und Dresden, das ist eine eigene Geschichte, eine mit Langzeitfolgen. Handelt es sich doch bei der Yenidze, die bis heute die Silhouette der Stadt prägt, mitnichten um eine Moschee sondern um eine ehemalige Tabakfabrik.
Der Orient, das Fremde und Exotische überhaupt, hatten in Dresden schon immer Freunde. Den Hofstaat des Großmoguls ließ man sich wenigstens im Kleinen bauen, umso reicher verziert ist er heute eine der Hauptattraktionen des Grünen Gewölbes.
Für ihre verschiedenen Sammlungen holten sich die Kurfürsten nicht nur Schätze und Gemälde, sondern auch Porzellane aus China und Japan. August der Starke träumte gar von einem Thron aus Porzellan und ließ dafür das Japanische Palais errichten, in dem sich heute auch ein Zimmer aus Damaskus befindet. Die Träume vom Fremden nahmen auch im Lustschloss von Pillnitz Gestalt an, mit chinoisierenden Dächern und einem chinesischen Pavillon, mit chinesischem Flieder, mit holländischen und englischen Gärten. In Pillnitz steht auch eine der ältesten in Europa gedeihenden japanischen Kamelien. Jedes Frühjahr entfaltet die über 230 Jahre alte Pflanze bis zu 35.000 rote Blüten.
Ausländer im Parnass der Residenz Dresden
Gut hundert Jahre, nach dem Kurfürst Friedrich August I. 1697 König von Polen wurde, kamen polnische Exilanten zu Tausenden, viele blieben, einer, Adam Mieckiewicz, schrieb hier mit der »Dresdner Totenfeier« ein Symbol des polnischen Nationalbewusstseins, ein anderer, Kraszewski, hinterließ den Sachsen eine viel gelesene Trilogie ihrer eigenen Geschichte, sein Wohnhaus ist heute ein Museum.
Aus dem Norden kamen der Literaturnobelpreisträger Gjellerup, der Däne Andersen-Nexö und der norwegische Dramatiker Ibsen. Für den Spott aber schienen die Österreicher zuständig, kein Wunder, kam doch schon der legendäre Hofnarr Fröhlich aus dem Salzkammergut. Später verspottete Franz Grillparzer die hiesige Sprache, was den Österreicher Richard Strauss aber nicht davon abhielt, einige seiner Opern in Dresden uraufzuführen, am Pult stand sein Landsmann Ernst Schuch.
Was wäre Dresden ohne diese Einflüsse, für die die Bezeichnung »fremd« längst unzutreffend geworden ist? Es wäre nicht Elbflorenz, vielleicht nicht einmal Dresden, denn der Name kommt aus dem Altsorbischen. Wer heute in Dresden ankommt, am Hauptbahnhof vielleicht, unter dem kühnen Dach des Briten Norman Foster, kommt in eine bunte Stadt, die auch geprägt wird von den vielen ausländischen Studenten der Hochschulen oder den Mitarbeitern der zahlreichen wissenschaftlichen Institute.
Wir Dresdner sind stolz auf unsere Stadt, wir sind stolz Dresdner zu sein. Da mag es verwundern, wenn der Dresdner zum Beweis für die Einzigartigkeit seiner Stadt ihre Schönheit ausgerechnet als Nachahmung beschreibt: Dresden, das ist Elbflorenz. Doch auch jenseits jeder schwärmerischen Verklärung waren und sind es die Einflüsse aus anderen Kulturen, die unsere Stadt geprägt haben. Von Jens Wonneberger
Seit Herder das Wort vom deutschen Florenz prägte und Kleist vom »italischen Himmel« schwärmte, fühlt man sich in Dresden südlich der Alpen. Dass Kleist selbst nie in Italien war, egal, man weiß, was man hat, auch Dank der Italiener, die nach Dresden kamen. Die Erbauer der Hofkirche und des Belvedere etwa, die in ihrem „italienischen Dörfchen“ an der Elbe wohnten, oder jene Künstler und Handwerker, die die Sgraffiti auf die Fassade des Schlosses zauberten, und nicht zuletzt die Schauspieler, Sänger und Musiker. Wer nicht selbst kommen konnte, den holte man, wie die Sixtinische Madonna, die in Dresden zu dem Juwel der Galerie wurde.
Andere reisten aus Dresden an die südlichen Sehnsuchtsorte, um zu lernen, wie es Architekten, Autoren und Maler seit Generationen taten. Johann Joachim Winckelmann zum Beispiel, der mit Hilfe seines italienischen Leibarztes nach Italien reiste, um dann die klassische Kunst zum Maßstab zu erheben. Denn es waren nicht nur Gebäude und Bilder, die Dresden und Italien verband, es war der Geist, die Ahnung von Schönheit. Dresden und Italien, das war eine Liebe, und es verwundert nicht, wenn der Dresdner, um die Schönheit seiner Stadt zu beweisen, auf die Bilder eines Italieners verweist: Dresden wird mit dem Canaletto-Blick gesehen.
Alte Bilder und moderner Tanz
Überhaupt, wer sich ein Bild vom alten Dresden und seiner Umgebung machen will, wird es oft mit den Augen von Ausländern tun, mit den Schweizern Anton Graff und Adrian Zingg zum Beispiel, später mit dem Österreicher Oskar Kokoschka, heute mit dem Wiener Perser Yadegar Asisi in dessen Panometer. Oder er reist mit dem dänischen Märchenerzähler Hans-Christian Andersen ins Sächsische Elbsandsteingebirge, was nichts anderes bedeutet, als in die Sächsische Schweiz.
Aus der Schweiz kamen nicht nur die ersten Zuckerbäcker. Ein Schweizer war es auch, mit dem am Anfang des letzten Jahrhunderts der moderne Tanz Einzug hielt. Die von Emile Jaques-Dalcroze gegründete Bildungsanstalt in der Gartenstadt Hellerau und Tänzerinnen wie Mary Wigman oder Gret Palucca machten ihn weltberühmt. In Hellerau fand der Franzose Paul Claudel seine Verehrer, probte der Schotte Neill seine pädagogischen Reformen, gründete der Österreicher Hegner seinen Verlag. Hellerau wurde das Bayreuth des Nordens, wobei die bayerische Festspielstadt ihren Ruf durch einen Sachsen erlangte: Richard Wagner.
Als sich Wagner in Dresden 1848 noch revolutionär gab und auf die Barrikaden ging, spielte ein Russe den »Oberfeuerwerker«. Der Anarchist Bakunin war aber nicht der einzige Russe, der Dresden zu verändern suchte. Als der Fürst Repnin-Wolkonski nach dem Rückzug französischer Truppen 1813 in Dresden residierte, reorganisierte er nicht nur das wirtschaftliche und politische Leben. Er erweiterte auch die Kunstakademie, verstaatlichte die Königliche Kapelle, baute den Großen Garten wieder auf und öffnete ihn für die Bevölkerung. Er ließ auch die Freitreppe zur Brühlschen Terrasse erbauen, welche die Dresdner gleich zum Balkon Europas erhoben.
Einem anderen Russen, dem Fürsten Putjatin, gelang es immerhin, ein Dresdner Original zu werden. Der Schriftsteller Dostojewski lebte da weitaus zurückgezogener, schrieb an seinen Dämonen und lieferte den Dresdnern darin eine weitere Bezeichnung für ihre Stadt: Ein Schatz in der Tabaksdose.
Dresdens orientalischer Zauber
Der Tabak und Dresden, das ist eine eigene Geschichte, eine mit Langzeitfolgen. Handelt es sich doch bei der Yenidze, die bis heute die Silhouette der Stadt prägt, mitnichten um eine Moschee sondern um eine ehemalige Tabakfabrik.
Der Orient, das Fremde und Exotische überhaupt, hatten in Dresden schon immer Freunde. Den Hofstaat des Großmoguls ließ man sich wenigstens im Kleinen bauen, umso reicher verziert ist er heute eine der Hauptattraktionen des Grünen Gewölbes.
Für ihre verschiedenen Sammlungen holten sich die Kurfürsten nicht nur Schätze und Gemälde, sondern auch Porzellane aus China und Japan. August der Starke träumte gar von einem Thron aus Porzellan und ließ dafür das Japanische Palais errichten, in dem sich heute auch ein Zimmer aus Damaskus befindet. Die Träume vom Fremden nahmen auch im Lustschloss von Pillnitz Gestalt an, mit chinoisierenden Dächern und einem chinesischen Pavillon, mit chinesischem Flieder, mit holländischen und englischen Gärten. In Pillnitz steht auch eine der ältesten in Europa gedeihenden japanischen Kamelien. Jedes Frühjahr entfaltet die über 230 Jahre alte Pflanze bis zu 35.000 rote Blüten.
Ausländer im Parnass der Residenz Dresden
Gut hundert Jahre, nach dem Kurfürst Friedrich August I. 1697 König von Polen wurde, kamen polnische Exilanten zu Tausenden, viele blieben, einer, Adam Mieckiewicz, schrieb hier mit der »Dresdner Totenfeier« ein Symbol des polnischen Nationalbewusstseins, ein anderer, Kraszewski, hinterließ den Sachsen eine viel gelesene Trilogie ihrer eigenen Geschichte, sein Wohnhaus ist heute ein Museum.
Aus dem Norden kamen der Literaturnobelpreisträger Gjellerup, der Däne Andersen-Nexö und der norwegische Dramatiker Ibsen. Für den Spott aber schienen die Österreicher zuständig, kein Wunder, kam doch schon der legendäre Hofnarr Fröhlich aus dem Salzkammergut. Später verspottete Franz Grillparzer die hiesige Sprache, was den Österreicher Richard Strauss aber nicht davon abhielt, einige seiner Opern in Dresden uraufzuführen, am Pult stand sein Landsmann Ernst Schuch.
Was wäre Dresden ohne diese Einflüsse, für die die Bezeichnung »fremd« längst unzutreffend geworden ist? Es wäre nicht Elbflorenz, vielleicht nicht einmal Dresden, denn der Name kommt aus dem Altsorbischen. Wer heute in Dresden ankommt, am Hauptbahnhof vielleicht, unter dem kühnen Dach des Briten Norman Foster, kommt in eine bunte Stadt, die auch geprägt wird von den vielen ausländischen Studenten der Hochschulen oder den Mitarbeitern der zahlreichen wissenschaftlichen Institute.
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