Stadtteil-Geschichten: Striesen

Dresdner Stadtteil Striesen mit historischen Gebäuden und urbanem Flair.
Striesen besticht durch charmante Gründerzeithäuser und viel Grün. Foto: Alexandra Meister

Besucher sind oft überrrascht, wenn sie nach Striesen kommen: vom großen, zusammenhängendem Villenviertel mit den alten Alleebäumen, in dem vieles noch an früher erinnert. Und vom unaufgeregten Kiez-Leben mit Cafés und kleinen Läden wie der Papeterie "Fräulein von Feder". Inhaberin Angela Schülein nimmt uns mit auf Entdeckungsreise durch ihren Stadtteil.

Striesen ist der schönste Stadtteil, weil…

… es nahezu von allem etwas bietet. Für fast jeden Geschmack, für Jung und Alt. Es ist gleichzeitig urban und dörflich. Und durch die vielen sehr alten Straßenbäume und Parks megagrün. Zur Elbe ist es nie weit; zur Innenstadt auch nicht. Striesen kann laut sein und still und auf angenehme Weise bodenständig, manchmal auch etwas verpennt. Wohnt man ein paar Jahre hier, trifft man an jeder Ecke Bekannte. Striesen ist wie ein Dorf, obwohl es der bevölkerungsreichste Stadtteil Dresdens ist.

Striesen ist aber auch etwas für Feingeister und Ästheten: Es bietet eines der größten zusammenhängenden Stadtvillenviertel der Gründerzeit. Viele davon sind außen und innen architektonische Kleinode. Daneben und dazwischen gibt es aber auch viele genossenschaftliche Wohnanlagen aus den 50er/60er Jahren und noch älter sowie alte, umgenutzte Industriebebauung. In den letzten Jahren sind viele Neubauten hinzugekommen. Genau dieser Mix macht es aus: Blasewitz ist vielleicht noch schöner, aber durch seine Homogenität auch weniger spannend.

Blick auf Striesen mit der 1909 geweihten Versöhnungskirche, einem Wahrzeichen des Dresdner Stadtteils.
Blick auf Striesen mit der 1909 geweihten Versöhnungskirche. Foto: Alexandra Meister

Wer fühlt sich in Striesen besonders wohl?

Alle jenseits der 30. Für jüngere Menschen ist Striesen nicht flippig genug; es fehlt die typische urbane Szene einer Dresdner „Neustadt“. Es fehlt ein zusammenhängendes Kneipenviertel. Aber alle, die schon bisschen was gesehen haben und nun wurzeln wollen, sind hier – allein, als Paar oder mit Familie – super aufgehoben. Und zwar bis ins hohe Alter. Lebensqualität pur in vielfältiger Hinsicht. Der alte ausgelutschte Spruch „Wer sein Leben will genießen, …“ gilt unverändert.

Was gibt es in Striesen, was es nirgends sonst gibt?

Den Hammer-Rundblick über Dresden von der Aussichtsplattform des Ernemannturms an der Schandauer Straße. Dieser gehörte zum Stammhaus der früheren Ernemannwerke, das heute das Museum Technische Sammlungen Dresden beherbergt. Der Ernemann-Bau gilt zugleich als das Wahrzeichen der berühmten Dresdner Kameraindustrie und ist heute eines der wenigen Dresdner Industrie-Denkmäler des frühen 20. Jahrhunderts von überregionaler Bedeutung.

Der Ernemann-Turm ist das Wahrzeichen der Technische Sammlungen Dresden in Striesen.
Der Ernemann-Turm mit Turmcafé und Aussichtsplattform ist das Wahrzeichen der Technische Sammlungen Dresden in Striesen. Foto: Alexandra Meister

Der schönste Spaziergang in Striesen?

Im Winter im Dunklen zwischen den Striesener Stadtvillen: Wenn überall gelichtelt wird, wenn die Fenster mit Herrnhuter Sternen und Schwibbbögen dekoriert sind. Dann kann man, dick eingemummelt, so herrlich überall reingucken und die schöne Stimmung genießen. Komplettiert um die typischen Striesener Gaslaternen, die fast überall noch betrieben werden. Wenn es dann noch schneit: Traumhaft!

Der passende Soundtrack dazu? 

„Der perfekte Moment…“ von Max Raabe & Samy Deluxe – er spiegelt so herrlich die Striesener Gegensätze wider.

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Welcher Geheimtipp steht in keinem Reiseführer?

Das Programmkino Ost, meiner Meinung nach das beste Programmkino Dresdens. Ich kenne das Kino noch aus meinen (DDR)-Kinderjahren, da sah es natürlich völlig anders aus. Aber genau diese Mischung aus Nostalgie, dem heutigen modernen Ambiente, dem netten Personal und dem top Programm macht es für mich aus.

Das Programmkino Ost in Striesen ist ein Anlaufpunkt für Filmfans.
Im Striesener Programmkino Ost laufen nicht nur Blockbuster, sondern auch sehenswerte Arthouse-Filme oder kleine Produktionen. Foto: Alexandra Meister

Gibt es eine besondere Geschichte oder Persönlichkeit, die mit Striesen in Verbindung steht?

Die Gärtnerdynastie Seidel, namentlich vor allem Hermann Seidel. Ein Vorfahr von ihm war sogar königlicher Hofgärtner Dresdens. Altstriesen war vor der Eingemeindung nach Dresden ein Dorf; Ackerland und große Gärtnereien waren prägend. Der heutige Herman-Seidel-Park oder auch Striesener Rhododendronpark ist ein Überbleibsel des Seidelschen Rhododendrongartens. Seidel war der Erste, der winterharte Rhododendren züchtete, die noch heute altehrwürdig so viele Dresdner Stadtteile schmücken.

Das wichtigste Fest oder Kultur-Event in Striesen?

Seit 2016, jährlich im März, gibt es die Dresdner Stummfilmtage, betrieben vom Museumskino Ernemann. Sie wurden aus der Taufe gehoben, um „…den alten Film, die alte Vorführtechnik, das Erlebnis Kino wie zu seinen Anfangszeiten vor 100 Jahren“ zu zeigen. Krönender Abschluss der Woche ist für mich alljährlich der in der Striesener Versöhnungskirche gezeigte Stummfilm, der immer live an der Orgel begleitet wird. Ein absolutes Highlight, auch wegen des besonderen Ambientes dieser einzigartigen Jugendstilkirche.

Wo kann man gut essen und was sollte man dort unbedingt probieren?

Bei el Horst, dem Hotspot von Striesen rund um Bergmann-/ Schandauer Straße. Der äußerliche Habitus eines Schrebergarten-Vereinslokals sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass man hier sehr lecker speisen kann: Küche mit dem gewissen Etwas, aber nicht überkandidelt. Zum Beispiel das „Korsische Omelett mit Ziegenfrischkäse“. Die gemütliche Kneipe samt dem gepflegten Biergarten und das nette Personal machen es rund. Hier treffen sich die Striesener wie auf einem Dorfplatz.

Was wünschen Sie sich für ihren Stadtteil?

Etwas mehr Leben! Striesen ist manchmal zu gemütlich, zu verschlafen. Ein bisschen zu viel vom „das war immer so…“. Und noch mehr kleine inhabergeführte Lädchen, denn auch die machen ein Stadtviertel einzigartig und vom reinen Schlaf- zum Wohnquartier. Kleine Läden der unterschiedlichsten Couleur waren früher so typisch für Striesen; an jeder Ecke gab es einen. Heute sind diese Hausecken zumeist zu Wohnungen oder Büros umgewidmet worden. Kurze Wege wünschen wir uns doch aber alle, nachhaltig ist das zudem.

Angela Schülein, Inhaberin der Papeterie „Fräulein von Feder“ in Striesen.
Angela Schülein, Inhaberin der Papeterie „Fräulein von Feder“, wünscht sich mehr kleine, individuelle Läden, nicht nur in Striesen. Foto: Alexandra Meister

Der schnellste und der schönste Weg vom Zentrum nach Striesen?

Der schnellste führt über die Magistralen: Aus der Altstadt kommend über die Pillnitzer- und Striesener Straße, den Fetcherplatz flankierend und in die Borsbergstraße mündend. Ein schöner Weg – ich bin mit Superlativen immer vorsichtig – führt aus der Altstadt kommend immer an der Elbe entlang – zu Fuß oder mit dem Rad. Auf Höhe des Blasewitzer Waldparks in den Lothringer Weg abbiegen und dann immer geradeaus mitten hinein ins Herz Striesens.

Was ist Ihr Lieblingsplatz in Striesen?

Den einen einzigen Lieblingsplatz gibt es nicht. Das ist das Schöne an Striesen: Je nach Stimmungslage, Jahreszeit und Wetter findet sich immer mindestens ein Plätzchen, das situativ passt. Sei es drinnen oder draußen. Bei Hitze im Hochsommer zum Beispiel das Eiscafè Lösch; dann Softeis schleckend auf den Bänken im Hof direkt vor dem Eisfenster, wo man herrlich people watching betreiben kann. Oder der Striesener Friedhof, wo auch meine Großeltern liegen: Gleichzeitig eine herrliche Parkanlage, wo es eine beeindruckende Vogelpopulation gibt und bald die Herbstzeitlosen blühen. Manche Denkmal-Grabstellen dort entführen einen in längst vergessene Zeiten, hier findet man Ruhe und zu sich selbst.

Hausgemachtes Softeis vom Eiscafé Loesch in Striesen
Ein hausgemachtes Softeis vom Eiscafé Lösch in Striesen geht immer. Foto: Alexandra Meister

Angela Schülein, 1969 in Dresden-Blasewitz geboren, führt mit Hingabe ihre Striesener Papeterie „Fräulein von Feder“. Die Geografin und Touristikerin ist Ende der Nullerjahre nach fast 20 Jahren in ihre Heimat zurückgekehrt und lebt hier ihren Traum von „Stift und Papier“. Mit ihrem Mann und den zwei Katzen Mimi & Loisl kann Sie sich keinen besseren Lebensort als Dresden vorstellen.

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