Stadtteil-Geschichten: Prohlis

Ein Stadtteil im Wandel mit faszinierender Geschichte

In Prohlis gibt es mehr als Plattenbauten.
Mehr als Platte: In Prohlis steckt viel Potenzial. Foto: IMAGO / Sylvio Dittrich

Über Prohlis, das große Plattenbauviertel im Dresdner Südosten, gibt es viele Vorurteile. Enges Zusammenleben, wenig Wohlstand – manches trifft zu. Doch mit seiner kulturellen Vielfalt und spannenden Geschichte sorgt der Stadtteil für Überraschungen. Wer weiß schon, dass hier der Halleysche Komet entdeckt wurde, ein archäologischer Schatz ruht und ein einzigartiges Museum zwischen den Hochhäusern liegt?

Wie würden Sie Prohlis einem Ortsfremden erklären?

Prohlis ist ein Kind des DDR-Wohnungsbaus. Im Akkord entstanden hier zwischen 1976 und 1980 rund 10.000 Wohnungen in bis zu 17-Geschossern mitsamt Infrastruktur – das zweitgrößte Plattenbaugebiet Dresdens. Bemerkenswert ist seine architektonische Gestaltung: So hat jede Wohnung eine verkehrsangebundene und -freie Seite und dank der „Besonnungs-Vorschrift“ viel Licht. Hier zu wohnen, galt zur DDR-Zeit als das große Los.

Nach der Wende änderte sich das, wie viele Stadtteile mit Plattenbaugeschichte stand auch Prohlis vor großen sozialen und infrastrukturellen Herausforderungen. Seitdem hat sich viel getan: Durch Stadtumbau, Sanierung und Aufwertung von Grünflächen ist der Stadtteil grüner und attraktiver geworden – und hat in Zukunft noch viel vor.

Wohnungen in Prohlis mit beeindruckender Weitsicht
Die Wohnungen in Prohlis bieten eine beachtliche Weitsicht. Foto: IMAGO / C3 Pictures

Was gibt es in Prohlis, was es nirgendwo sonst gibt?

Ein echter Dresden-Geheimtipp ist das Palitzschmuseum, das von den ersten Spuren der Besiedlung vor 7.000 Jahren bis zur DDR-Plattenbausiedlung erzählt. Das Museum liegt im denkmalgeschützten Palitzsch-Hof, dem letzten erhaltenen Gehöft des alten Dorfkerns, gleich neben der Jugendkunstschule und dem neuen Bürgerhaus.

Noch tiefer in die Geschichte der Region führt der kulturgeschichtliche Archaeo-Pfad, der beim Museum startet. Auf 11 Info-Stelen informiert er über die hier gefundenen archäologischen Stätten und Objekte, darunter der 52.000 Jahre alte Backenzahn eines Wollhaarmammuts und vier riesige jungsteinzeitliche Kreisgrabenanlagen, eine fast 7.000 Jahre alte archäologische Sensation.

Welche Freizeitmöglichkeiten bietet der Stadtteil?

Der Palitzschhof ist nicht nur ein historischer Ort, sondern auch kulturelles Zentrum mit vielfältigen Kreativ- und Kulturangeboten für jedes Alter.

Spaß und Bewegung verspricht das neu gestaltete Kombibad Prohlis mit Schwimmhalle und Freibad. Im Skatepark an der Gamigstraße finden Skater und BMX-Fahrer ein Paradies aus Obstacles, Rampen und anderen Hindernissen.

Ein Glück für den Stadtteil sind die vielen Grünflächen. Das Prohliser Wäldchen, die Alte Ziegelei oder der Geberbach-Grünzug sind ein Stück Natur direkt vor der Haustür. Der Geberbach fließt oberirdisch durch das Wohngebiet, hier entstanden über die Jahre kleine Paradiese. Mit dem Renaturierungsprojekt „Blaues Band Geberbach“ soll der Grünzug bald bis an die Elbe führen und Teil der BUGA 2033 sein.

Der Springbrunnen "Pusteblumen" von Leoni Wirth (1969).
Der Springbrunnen „Pusteblumen“ von Leoni Wirth (1969) ist 2004 von der Prager Straße nach Prohlis umgezogen. Foto: IMAGO / Sylvio Dittrich

Wer fühlt sich in Prohlis wohl?

In Prohlis fühlen sich Menschen wohl, die Vielfalt und Gemeinschaft schätzen. Familien profitieren von der guten Infrastruktur mit Schulen, Kitas und Spielplätzen. Senioren genießen die grünen Oasen wie den Geberbach. Prohlis ist multikultureller als andere Stadtteile und zeigt durch viele Projekte wie die Internationalen Gärten, dass ein Stadtteil mit Herausforderungen gleichzeitig ein Ort voller Chancen sein kann.

Wenn Prohlis ein Mensch wäre: Wie würden Sie ihn charakterisieren?

Prohlis wäre ein Charakter mit Ecken und Kanten. Ehrlich, bodenständig und hart im Nehmen, aber auch warmherzig und voller Überraschungen. Jemand, der viel erlebt hat, aber immer wieder auf den Füßen landet.

Der schönste Spaziergang in Prohlis?

Das ist leicht: Vom neuen Prohliser Kombibad aus führt er immer den Geberbach entlang. Wer aufmerksam ist, sieht das Individuelle in der Einheitsfassade und hört das natürlich-liebliche Geplätscher des Geberbachs. Im Palitzschhof könnte man unter der alten Linde rasten und sich in Ruhe Hof und Museum anschauen.

Der passende Soundtrack dazu?

Der „Prohlis-Song“ ist 2020 entstanden. Ein Klartextlied und Mutmacher, in dem die Bewohner nach ihrem Alltag im Stadtteil gefragt wurden, nach Dingen, die sie an Prohlis lieben oder die sie weniger gut finden.

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Gibt es eine besondere Geschichte oder Persönlichkeit, die mit Prohlis in Verbindung steht?

Eine faszinierende Persönlichkeit war der „Bauernastronom“ Johann George Palitzsch (1723-1788), der im Selbststudium zum Experten für Physik, Botanik und Astronomie wurde. Sein größter Ruhm war die Entdeckung des Halleyschen Kometen. Im Palitzschmuseum erfährt man mehr über den Prohliser Bauern, der den Blick in die Sterne richtete.

Das wichtigste Fest oder die beste Adresse für Kultur in Prohlis?

Das Prohliser Herbstfest und das Interkulturelle Bürgerfest des Netzwerks „Prohlis ist bunt“ sind feste Größen, seit 2024 finden sie gemeinsam auf dem Vorplatz des Prohliszentrums statt. Der Prohliser Theatersommer im Juni lockt mit Vorstellungen, Konzerten und Mitmach-Angeboten. Im Palitzschhof begeistern die Hoffeste mit ihren offenen Werkstätten und dem Planetarium.

Wo kann man gut essen und was sollte man dort probieren?

Hippe Restaurants sucht man in Prohlis bisher vergeblich. Dafür gibt es zahlreiche internationale Lokale und Imbissstuben mit authentischen Gerichten und echter Nachbarschaftsatmosphäre. Wer die Vielfalt von Prohlis erleben möchte, findet hier viele kulinarischen Überraschungen.

Der schnellste und der schönste Weg vom Zentrum nach Prohlis?

Am schnellsten und schönsten ist es mit dem Fahrrad: Die Tour führt quer durch den Großen Garten, an der Palucca-Schule vorbei und parallel zu den Gleisen durch die Kleingartenanlagen zur Tornaer Straße. Weiter geht es am Hülße-Gymnasium vorbei auf die Prohliser Straße.

Was wünschen Sie sich für Ihren Stadtteil?

Dass sich die Menschen hier wohlfühlen und den Stadtteil als ihr Zuhause betrachten. Und dass sie, wo auch immer sie herkommen, nicht aneinander verzagen, vereinzeln oder verbittern, sondern die Kraft finden, sich gegenseitig Mut zu machen und sich zu helfen. Dazu gehört auch, die Augen für das Positive zu öffnen und den Humor nicht zu verlieren.

Dazu gibt es eine schöne Anekdote: Als das Bürgerhaus noch Baustelle war, verirrte sich eines Tages ein gelber Kanarienvogel aufs Gelände. Wir fingen ihn mit einem Karton ein und fragten im benachbarten 17-Geschosser, ob denn jemand im Haus einen Vogel hätte. „Hier haben alle einen Vogel“, war die Antwort. Seitdem schwatzen wir miteinander und müssen immer wieder schmunzeln. Der Vogel fand übrigens ein neues Zuhause.

Was ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz in Prohlis?

Neben der Kirche, wo früher das Prohliser Schloss stand. Es brannte 1980 ab und wurde 1985 endgültig abgerissen. Die zugeschütteten Strukturen werden durch unser Ausgrabungsprojekt langsam wieder freigelegt – von Prohliser Bürgern und Schulklassen.

Peter Neukirch ist seit 2007 Direktor des Palitzsch-Museums, das Einblicke in die 7.000-jährige Geschichte des Stadtteils, das Leben des Bauernastronomen Johann George Palitzsch und die Astronomie bietet. Zudem ist er Ansprechpartner für Veranstaltungsanmeldungen und Raumvermietungen im Museum. Mit der benachbarten Jugendkunstschule und dem neuen Bürgerhaus erbeitet er eng zusammen, um Prohlis noch lebenswerter zu machen.

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