Stadtteil-Geschichten: Hellerau

So schön ist Dresdens Gartenstadt

Reihenhäuser in Hellerau, Deutschlands erster Gartenstadt, im Stil der Reformarchitektur.
Hellerau, die erste Gartenstadt Deutschlands bezaubert mit kleinen Reihenhäusern im Stil der Reformarchitektur. Foto: Alexandra Meister

Hellerau, der „grüne Zipfel“ Dresdens und Deutschlands erste Gartenstadt, entstand vor über 100 Jahren aus einer visionären Idee und setzte neue Maßstäbe im Städtebau. Zwischen den Häusern berühmter Architekten, den naturnahen Gärten und dem Europäischen Zentrum der Künste spürt man den Pioniergeist bis heute.

Hellerau ist der schönste Stadtteil Dresdens, weil …

… er an seine über 100-jährige Tradition als Gartenstadt anknüpt und mit seinen sanierte Villen und Häuschen mit Gärten, dem lebendigen Marktplatz, einer gut ausgebaute Infrastruktur sowie als Zentrum für Kunst und Kultur eine hohe Lebensqualität bietet. Tradition und Moderne verbinden sich hier auf einzigartige Weise: Innovatives Arbeiten in den Deutschen Werkstätten, kulturelle Highlights im Festspielhaus und die Nähe zum Heller, einer geschützten Naturlandschaft, machen den Stadtteil zu einem besonderen Ort – mitten in der Stadt und doch im Grünen.

  • Außenansicht des Festspielhauses Hellerau, ein internationales Zentrum für zeitgenössisches Theater, Tanz, Musik und Kunst.
  • Außenansicht der Deutschen Werkstätten Hellerau, bekannt für wegweisendes Möbeldesign und hochwertiges Innendesign.

Wie würden Sie Hellerau einem Ortsfremden erklären?

Hellerau lässt sich nur im Kontext seiner Gründungsgeschichte von 1909 bis 1914 verstehen. Visionäre wie der Möbelfabrikant Karl Schmidt und der Architekt Richard Riemerschmid prägten den Stadtteil, inspiriert von den Ideen der Gartenstadt- und Reformbewegung. Das Festspielhaus, als Keimzelle eines revolutionären Theaterkonzepts, wurde zum kulturellen Herzstück. In einer Zeit gravierender sozialer Missstände verkörperte Hellerau die Vision eines besseren Lebens, indem es Wohnen, Arbeiten, Kultur und Bildung eng miteinander verbindet. Bis heute zeugen zahlreiche Spuren im Ortsbild davon.

Wer fühlt sich in Hellerau besonders wohl?

Offensichtlich die Bewohner, denn Hellerau gehört zu den Stadtteilen mit der längsten Verweilzeit. Wer einmal hier angekommen ist, der bleibt, teilweise über Generationen. Das sind Menschen, die dem Trubel der Großstadt gerne entgehen wollen, aber trotzdem die Nähe schätzen, Naturliebhaber mit Lust auf Gartenarbeit und Nachbarschaft, zunehmend auch junge Familien mit Kindern, sofern sie das seltene Glück haben, hier ein Haus oder eine Wohnung zu finden. Daneben scheinen sich auch noch viele Hunde, Katzen, Maulwürfe, Vögel und Insekten in den Grünanlagen und alten Gärten, die hier naturnäher und weniger aufgeräumt erscheinen als anderswo, wohlzufühlen.

Idylle aus historischen Wohnhäusern mit naturnahen Gärten: die Gartenstadt Hellerau Foto: Alexandra Meister

Wenn Hellerau ein Mensch wäre: Wie würden Sie ihn charakterisieren?

Ich stelle mir einen Gärtner vor, der gerne mit Nachbarn und Freunden plaudert, weltoffen, neugierig, politisch interessiert, der die kulturellen Angebote vor Ort nutzt, im Bürgerzentrum, in den Deutschen Werkstätten, im Festspielhaus.

Der schönste Spaziergang in Hellerau?

Den schönsten Spaziergang erlebt man mit dem Audiowalk. Ausgestattet mit mp3-Playern und Kopfhörern begibt man sich auf die verschlungenen Wege und architektonischen Zeugnisse Helleraus, trifft auf Geschichten der Bewohnerinnen und Bewohner, sprechende Gartenzäune und taktangebende Sounds des Viertels. Der Audiowalk kann zu den Öffnungszeiten im Besucherzentrum des Festspielhauses ausgeliehen werden kann.

Der passende Soundtrack für einen Spaziergang durch Hellerau wäre dieser Song:

Steve Reichs minimalistisch, meditative Music for 18 Musicians.

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Vor zehn Jahren war die Komposition im Festspielhaus zu hören. Steve Reich spielte sie zusammen mit dem Ensemble Modern. Wer es eher traditionell klassisch mag, der sollte sich Mahlers Zyklus „Lieder eines fahrenden Gesellen“ auf den Kopfhörer laden. Und wer keine Kopfhörer dabei hat, der sollte einfach mit den Bienen summen.

Was gibt es in Hellerau, was es nirgends sonst gibt? 

Die Gartenstadt ist bezüglich ihrer Architektur und städtebaulichen Gestaltung einzigartig. Nirgendwo sonst kann man auf einem kleinen Rundgang die Bauten der Star-Architekten der Zeit um 1910, Riemerschmid, Tessenow und Muthesius, gemeinsam bewundern. Und dann ist da noch das EZK, Europäisches Zentrum der Künste, im Festspielhaus mit einem Programm aus modernem Tanz, Musik und Performance.

Welcher Geheimtipp steht in keinem Reiseführer?

Der Naturraum Hellerau zwischen Festspielhaus und Deutschen Werkstätten ist weder Park noch Wildnis. Die Streuobstwiese, Blühflächen, Birkenwäldchen und der Insektengarten laden ein zum Entspannen, Genießen oder Erforschen.

Naturraum Hellerau mit vielfältiger Vegetation, entstanden durch Engagement des Bürgervereins.
Der Bürgerverein rettete vor über zehn Jahren den heutigen Naturrraum Hellerau und schuf eine artenreiche, naturnahe Grünfläche. Foto: Alexandra Meister.

Gibt es eine besondere Geschichte oder Persönlichkeit, die mit Hellerau in Verbindung steht?

Am 5. Oktober 1913 trafen sich Rainer Maria Rilke, Franz Werfel und Boris von Münchhausen in Hellerau im Kaffee der Bäckerei Zincke und trugen sich bei der Gelegenheit ins Gästebuch ein. Wenige Tage vorher schrieb darin Paul Claudel „Rien au monde ne se compare au café „Wunderbar“. Zu der Zeit traf sich in der Gartenstadt die Europäische Avantgarde, darunter auch Franz Kafka und George Bernard Shaw.

Das wichtigste Fest oder die beste Adresse für Kultur und Nightlife in Hellerau?

Neben dem Kinderfest immer im Juni, veranstaltet der Bürgerverein alle zwei Jahre am ersten Septemberwochenende die Offene Gartenstadt. Hellerauer laden zum Besuch ihrer Gärten ein, ergänzt durch ein kleines kulturelles Beiprogramm.

Wo kann man gut essen und was sollte man unbedingt probieren?

Das Schmidts im Innenhof der historischen Deutschen Werkstätten gehört zu den besten Restaurants in Dresden. Weniger bekannt ist das kleine Restaurant im Festspielhaus, die LAGO Bar. Während der Spielzeit kann man dort von täglich wechselnder Karte leckere und preiswerte Gerichte wählen.

Das Schmidts Restaurant im historischen Gebäude-Ensemble der Deutschen Werkstätten Hellerau bietet frische, regionale Speisen.
Im historischen Ensemble der Deutschen Werkstätten Hellerau serviert das Schmidts Restaurant frische, regionale Köstlichkeiten. Foto: Alexandra Meister.

Der schnellste und der schönste Weg vom Zentrum nach Hellerau?

Der schnellste Weg nach Hellerau ist die Straßenbahn Linie 8, der schönste ist zu Fuß durch das Prießnitztal oder quer über den Heller.

Was wünschen Sie sich für ihren Stadtteil? 

Ein begrüntes Gleisbett für die Linie 8 und ihre Verlängerung zu den neuen Halbleiterfabriken und – ganz wichtig – eine langfristig gesicherte Finanzierung des Festspielhausbetriebs auf dem aktuellen anspruchsvollen Niveau.

Was ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz in Hellerau?

Mein Garten … oder gleich nebenan, eine Bank im „Naturraum Hellerau“.

Wolfgang Gröger, geb. 1952 in Bremen, studierte Physik, promovierte und forschte in Göttingen und den USA. 1997 kam er nach Dresden Hellerau, um am Aufbau einer neuen Halbleiterfabrik mitzuarbeiten. Seit rund 15 Jahren engagiert er sich im Verein Bürgerschaft Hellerau e.V. für die Belange der Gartenstadt und war lange Zeit im Vorstand.

Hellerauer Kinderfest
Unter der Federführung des Bürgervereins organisieren Schule, Kindergärten und lokale Vereine das traditionsreiche Fest unter jährlich neuem Motto und an wechselnden Orten in der Gartenstadt.

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