Elbflorenz: Wie viel Italien steckt in Dresden?

Seit 40 Jahren sind Dresden und Florenz Partnerstädte. Wären sie verheiratet, könnten sie jetzt Rubinhochzeit feiern. Aber gleichen sie einander auch schon, wie ein altes Ehepaar? Das Dresden Magazin hat zwei Florentinerinnen gefragt, die es wissen müssen.

Frau Bellini, Frau Cencetti, Sie sind beide in Florenz aufgewachsen, leben und arbeiten aber schon seit vielen Jahren in Dresden. Sind sich die beiden Städte wirklich so ähnlich, wie der Begriff Elbflorenz nahelegt?

Cencetti: Die Altstädte mit den Flusslandschaften und den Brücken sind sich schon sehr ähnlich. Genauso wie die Lage der Städte inmitten von Hügeln. Ich würde sagen: Wenn man an der Augustusbrücke steht, hat man ein ähnliches „Stadtgefühl“ wie an der Ponte Vecchio in Florenz.

Bellini: Und beides sind große Kulturstädte mit wichtigen Kunstsammlungen. Aber in Dresdens Architektur überwiegt der Barock, während Florenz vor allem vom Mittelalter und der Renaissance geprägt ist.

An der Augustusbrücke hat man ein ähnliches Stadtgefühl wie an der Ponte Vecchio

Elena Cencetti zog 2008 nach Bonn. Nach dem Germanistikabschluss studierte sie an der Dresdner Palucca Hochschule für Tanz. Seit 2014 arbeitet sie als Tanzpädagogin in Dresden. In dem Film „Elb meets Florenz“ erkundet sie die Beziehung der beiden Städte..

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Ihren beiden Heimatstädten beschreiben?

Bellini: Ich lebe seit 1996 in Dresden und empfinde das Leben hier als sehr angenehm. Aber in Florenz bin ich groß geworden, und ich finde nach wie vor, dass es eine der schönsten Städte der Welt ist. Und dann erst das Chianti-Gebiet! Obwohl: Die Sächsische Schweiz ist wirklich auch wunderschön.

Cencetti: In Florenz sind meine Wurzeln, dort lebt meine Familie. Aber Dresden ist die Stadt, in der ich mich beruflich verwirklichen kann, in der ich mein Netzwerk aufgebaut habe. Und fremd habe ich mich hier noch nie gefühlt – allein wegen der riesigen italienischen Community, die es hier gibt.

Florenz ist eine Ausnahmestadt in Italien, sie hat deutsche Züge

Simona Bellini, Jura-Erststudium in Florenz, Italianistik-Zweitstudium in Berlin. Seit 1996 ist sie an der TU Dresden Lektorin für Italienisch und seit vielen Jahren im Vorstand des dortigen Italien-Zentrums.

Und die Mentalität ist unterschiedlich. Zumindest beneiden die Deutschen Italiener immer um ihre Lebensart. Zurecht?

Cencetti: Ich denke, dass Italiener zu einer gewissen Spontaneität neigen, die man in Deutschland nicht so oft findet. Deutsche lassen nicht so schnell locker und haben weniger Spaß an spielerischen Unterhaltungen.

Bellini: In Deutschland erwartet man, dass alles organisiert ist, dass die Stadt und der Staat Sicherheiten und Unterstützung anbieten. In Italien sind die Menschen eher bereit, zu improvisieren und sich gegenseitig zu helfen. Florenz ist übrigens ein Sonderfall: Schon seit dem Mittelalter sind die Bürger hier an der Regierung beteiligt. Deshalb ist die Distanz zur Politik nicht so groß. Regeln werden eingehalten – insofern hat die Stadt fast schon deutsche Züge.

Blick vom großen Schlosshof auf das Membrandach, das den kleinen Schlosshof des Dresdner Residenzschlosses überspannt. Foto: Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Foto: HC Krass
Als Sitz der Kurfürsten war das Residenzschloss in der Renaissance einer der prächtigsten Bauten in Deutschland. 1701 wurde es durch einen großen Brand zerstört. Das gesamte Gebäude wurde sorgfältig rekonstruiert, auch das prächtige Sgraffitto im großen Schlosshof.
Frank Exß
Die Katholische Hofkirche entstand unter Friedrich August II., dem späteren König August III. Für den Bau, der von 1739 bis 1755 dauerte, engagierte er den italienischen Architekten Gaetano Chiaveri. Die Handwerker, die dieser mitbrachte, wohnten im nahegelegenen „Italienischen Dörfchen“. Heute steht dort eine Gaststätte.
SKD / Foto: D. Pinzer
August III. war auch ein großer Kunstkenner. 1754 erwarb er Raffaels „Sixtinische Madonna“, eines der berühmtesten Gemälde der italienischen Renaissance. Das Marienbildnis entstand in den Jahren 1512 und 1513. Heute befindet es sich in der Gemäldegalerie Alte Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister / Foto: Estel/Klut
Der italienische Maler Bernard Bellotto war für seine realistischen Ansichten diverser europäischer Städte bekannt. Als ausgezeichneter Kunstkenner holte August III. Bellotto – den man besser kennt als Canaletto – zum Hofmaler. Die Dresden-Ansicht stammt aus dem Jahr 1748 und wurde als Canaletto-Blick berühmt.
Christoph Münch
Der Canaletto-Blick heute: Vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke aus schaut der Betrachter auf die jenseits liegende Katholische Hofkirche und die Kuppel der Frauenkirche.
Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum / Foto: Estel/Klut
Hier der Blick eines Dresdner Malers auf die spätere Partnerstadt. Carl Gustav Carus galt als einer der größten Universalgelehrten des 19. Jahrhundert. Er war Arzt, Naturphilosoph und Maler und als solcher vor allem durch die Ästhetik Caspar David Friedrichs beeinflusst. 1841 entstand dieser „Blick auf Florenz“.
Frank Exß
Nach dem Tod Friedrich Augusts II. regierte dessen Bruder Johann von Sachsen das Königreich. Nebenbei befasste er sich mit der Literatur. Seine Übersetzung von Dantes „Göttlicher Komödie“, die er unter dem Pseudonym Philalethes anfertigte, ist bis heute anerkannt.

Frau Cencetti, Sie haben in dem vom Dresdner Kulturhauptstadtbüro geförderten Videoprojekt „Elb-meets-Florenz“ die Beziehung zwischen Dresden und Florenz tänzerisch erkundet. Was können beide Städte voneinander lernen?

Cencetti: Nun, die Organisation der Drehgenehmigungen war in Italien schon sehr anstrengend. In Dresden sind die Behörden und Institutionen viel aufgeschlossener für solche Kunstprojekte.

Bellini: Deutsche sind oft besser organisiert und können über längere Zeit planen. In Italien herrscht viel mehr Improvisation. Ich bin immer wieder überrascht, wie dort aus Nichts rasch etwas entstehen kann.

Was fällt Ihnen als erstes auf, wenn sie in eine der beiden Städte zurückkehren?

Bellini: Lange Zeit fiel mir in Dresden besonders auf, dass die Bevölkerung sehr einheitlich ist – man sah fast nur Deutsche. Ich fand das schade. Meine Realität hingegen würde ich als kosmopolitisch beschreiben, meine Freunde und Kollegen kommen von überall her. Ich freue mich, dass sich das Bild in den letzten Jahren durch die Zuwanderung gewandelt hat. In Florenz klagen viele über die Millionen von Touristen. Man muss aber auch sehen: Diese Menschen machen die Stadt vielfältig. Das gefällt mir.

40 Jahre Dresden – Florenz: Veranstaltungen zum Jubiläum

15. Mai 2018, 18.30 Uhr
Festvortrag: „Die Uffizien, Brennpunkt und Katalysator des europäischen Dialogs“.
Eike Schmidt, der erste Deutsche, der die Florentiner Uffizien leitet, berichtet über seine Erfahrungen in der italienischen Museumswelt. Während der Feierlichkeit zu 40-jährigen Jubiläum wird der Film „Elb-meets-Florenz“ gezeigt, in dem Elena Cencetti mit den beiden Medienkünstlerinnen Franziska und Sophia Hoffmann die Beziehung der Partnerstädte tänzerisch erkundet.
Neues Rathaus, Dr.-Lülz-Ring 19

22. Juni bis 7. Oktober 2018
„Giambologna, Michelangelo und die Medici-Kapelle“
In der Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden dreht sich alles um Michelangelos berühmte Skulpturen in der Medici-Kapelle
Semperbau, Zwinger

Noch bis zum 3. Juni 2018
„Veronese: Der Cuccina-Zyklus. Das restaurierte Meisterwerk“
Die Ausstellung zeigt Gemälde von Paolo Caliari, genannt Veronese, einem der bedeutendsten Vertreter der venezianischen Renaissancemalerei
Gemäldegalerie Alte Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden

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