Winnetou – Häuptling der Apachen

Karl-May-Festtage in Radebeul

André Wirsig

Rauchende Colts, Klaviergeklimper im Saloon und noch viel mehr: Einmal im Jahr verwandelt Radebeul sich bei den Karl-May-Festtagen in eine Wild-West-Stadt.

Die Luft ist schwer vom Schießpulver. Der Santa-Fe-Express muss bremsen, quietschend und ratternd kommt die tonnenschwere Lokomotive zum Stehen. Die alte Dampfeisenbahn ist unterwegs zwischen Little Tombstone und dem White Horse Camp, aber nun ist sie zum Halt auf freier Strecke gezwungen. Entlang der Gleise hat eine Gruppe Banditen einen Hinterhalt vorbereitet. Es gibt kein Weiterkommen. Die Passagiere des Zuges sind leichte Beute für die Räuber.

Szenen wie diese spielen sich am Wochenende nach Himmelfahrt öfter ab – nicht im gesetzlosen Wilden Westen, sondern in Radebeul.

Foto: Martin Förster
Zwischen Radeburg und Radebeul fährt die Lößnitzgrundbahn durch reizvolle Landschaften.
TRR, Foto: Danilo Pietzsch
Kampflos wird die Bahn den Räubern nicht überlassen.

Die Stadt ist schließlich die Heimat von Karl May. Hier hat er seine großen Abenteuerromane verfasst, hier hat er in der Villa Shatterhand gelebt. Und hier wird an ihn erinnert: mit den jährlichen Karl-May-Festtagen.

Also wird aus der Lößnitzgrundbahn der Santa-Fe-Express. Die Haltestelle Weißes Roß verwandelt sich ins White Horse Camp. An der Bahnstation Lößnitzgrund entsteht die Westernstadt Little Tombstone – und rund um das Areal werden Zeitreisen möglich.

Sechs Camps gibt es insgesamt, an denen auf vielfältige Weise Einblicke in die Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts möglich werden. So präsentieren Wild-West-Darsteller Ausschnitte aus dem Alltagsleben von Jägern, Trappern, Siedlern, Glücksrittern und Soldaten.

Dass die Sprache in diesen Camps Deutsch ist, hat sogar einen historischen Grund. Um 1860 lebten schließlich 1,3 Millionen Auswanderer aus Deutschland auf dem Gebiet der heutigen USA. Das Camp Fox Home zeigt ihren friedlichen Alltag – das Fort Virginia hingegen ist aufs Militärische spezialisiert. Hier formieren sich die Virginia Volunteers und stellen die deutsche Kompanie im amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865) nach. Vom Fahnenappell bis zu den Uniformknöpfen steht Authentizität für sie an erster Stelle.

Das Motto der 28. Karl-May-Festtage ist „Winnetou – Häuptling der Apachen“. Zum ersten Mal sind Angehörige des White Mountain Apache Tribe aus Arizona zu Gast in Radebeul. Sie werden von ihrer Kultur berichten und die wahren Geschichten ihrer Häuptlinge erzählen.

Jarid Taylor (rechts) und Charles Taylor präsentieren einen traditionellen Tanz der Kwakwaka'wakw Nation aus Kanada.
Jarid Taylor (rechts) und Charles Taylor präsentieren einen traditionellen Tanz der Kwakwaka’wakw Nation aus Kanada. © André Wirsig

Der Austausch mit Native Americans gehört ohnehin zur Festival-Tradition. Schon im Vorfeld lädt das Karl-May-Museum zur Indianischen Woche ein: Ed E. Bryant, Künstler und Angehöriger der Tsimshian Nation, ist Gast des Museums.

Ed E. Bryant von der Tsimshian Nation. © André Wirsig

Darüber hinaus findet die Midissage zur Ausstellung „IndianerART“ statt, und am Kamin wird über den „Mythos Winnetou“ diskutiert. Bei den Festtagen selbst präsentieren auch Angehörige des White Mountain Apache Tribe, der Oglala Lakota Nation, der Kwakwaka’wakw Nation und der Tsimshian Nation rituelle Musik und zeremonielle Gesänge. Geschichten und Fantasie kommen natürlich auch nicht zu kurz – schließlich hat Karl May selbst es bekanntermaßen mit den Fakten nicht so genau genommen. Die Sächsischen Landesbühnen präsentieren Ausschnitte ihrer aktuellen Inszenierungen. Und am 31. Mai wird ein Western-Kurzfilm seine Premiere erleben: „Showdown in Fort Henry“ mit Darstellern aus den Radebeuler Westernvereinen.

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Dass das Musikprogramm nicht nach dem 19. Jahrhundert klingt, überrascht also keineswegs. Bands wie Stringcaster, die Fünf Patronenhülsen oder Slow Horses spielen wilde Konzerte mit Rock’n’Roll, Country, Bluegrass, Folk und Rockabilly.

Seinen Höhepunkt erlebt das Festival am Sonntag mit dem Paradezug der Sternreiter. Der Sternritt gehört zu den wichtigsten Traditionen der Festtage: Auf dem Weg nach Radebeul versuchen die Reiter, eine möglichst weite Strecke zurückzulegen. Der Rekord wurde 2012 aufgestellt: Randy Helbig ritt 1320 Kilometer nach Radebeul.

Nachdem die Hufe Staub aufgewirbelt haben, liegt wieder Rauch in der Luft: Die Trophäe für den Sternritt-Sieger ist jedes Jahr eine handgefertigte Friedenspfeife.

Sternreiterparade bei den 27. Karl-May-Festspielen 2018. © André Wirsig

Die Karl-May-Festtage finden seit 1992 jedes Jahr am Wochenende nach Christi Himmelfahrt statt, 2019 vom 31. Mai bis 2. Juni

Weitere Informationen und Tickets unter www.karl-may-fest.de

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