Wolfgang Schaller ist 80 geworden!

„Alt werden ist kein Verdienst“

Wolfgang Schaller, Dresdner politischer Kabarettist wird 80 Jahre
Wolfgang Schaller, Dresdner politischer Kabarettist wird 80 Jahre. © HL Böhme

Wolfgang Schaller ist ein wahres Dresdner Urgestein. Er ist Buchautor, Dresdner des Jahres 2018, Kolumnist der Sächsischen Zeitung und langjähriger Chef des Dresdner Kabarett-Theaters „Herkuleskeule“. Heute, am 20. April feiert er seinen 80zigsten Geburtstag.

Wolfgang Schaller ist politischer Kabarettist. Und das seit langer Zeit. Mit dem Dresdner Kabarett-Theater „Herkuleskeule“, verbinden ihn mittlerweile 50 Jahre. Fünf Jahrzehnte politische Aufmüpfigkeit, mit provokantem Humor und zeitgenössischem Verstand.

Wolfgang Schaller und die Herkuleskeule

Die „Keule“, wie sie liebevoll genannt wird, wurde 1961 von Manfred Schubert gegründet und gehört für Dresdner Querdenk-Liebhaber genauso dazu, wie die Semperoper für Hochkultur-Fans. 29 Jahre lang taten die provokanten und politisch-kontroversen Stücke ihre Wirkung – immer unter den wachsamen Augen der SED und der Stasi. Diese Zeiten sind lange vorbei. Die DDR gibt es seit über 30 Jahren nicht mehr, doch der treffsichere Humor, der ist geblieben.

Herr Schaller, Sie sind seit 50 Jahren bei der „Keule“. Eingestiegen als Autor und später dann als Gesellschafter. Sie haben das Kabarett in Dresden und sein Publikum in zwei verschiedenen Regierungssystemen erlebt. Hat sich der sächsische Humor verändert?

„Meine Sache ist nicht der sächsische Humor, ich bin politscher Kabarettist. Lachen ist für mich nur ein Transportmittel, über gesellschaftliche Probleme zu sprechen. Und das Publikum hat sich gar nicht verändert. Es verlangt von uns Unterhaltung. Aber mit Haltung. Ich bin kein Witzeerzähler. Ich habe eine Humorallergie. Aber wenn sich hinter dem Witz ein provokanter Gedanke versteckt, dann kann‘s nicht witzig genug sein.“

1970 kam Wolfgang Schaller zur „Herkuleskeule“. Damals war er Deutsch-  und Musiklehrer in Görlitz, wo er ein Jugendkabarett leitete. In die „Keule“ stieg er zunächst als Dramaturg und Autor ein. 1984 übernahm er die künstlerische Leitung und prägte das Haus über viele Jahrzehnte hinweg mit. Ende 2017 gab Schaller seinen Rückzug bekannt, nur aus der leitenden Funktion des Hauses versteht sich. Diese übernahm jetzt sein Sohn Philipp Schaller. „Es sei an der Zeit die Verantwortung jetzt den Jüngeren zu überlassen“, so Schaller in einem Interview im Sachsen Fernsehen. Seinen Abschied feierte er gebührend in der „Keule“, mit Kollegen wie Wolfgang Stumph und Hans-Günther Pölitz. Schaller bleibt dem Ensemble aber als Autor erhalten und arbeitet weiter als Kolumnist für die Sächsische Zeitung.

Ensemble der Herkuleskeule 1994

Ensemble der Herkuleskeule 1994 © Archiv Herkuleskeule

Ensemble der Herkuleskeule 2016

Ensemble der Herkuleskeule 2016 © Herkuleskeul

Wolfgang Schaller neben seiner Frau Birgit Schaller und Hannes Sell iin dem aktuellen Stück „Durch Traum und Zeit“ an der Dresdner Herkuleskeule

Wolfgang Schaller neben seiner Frau Birgit Schaller und Hannes Sell in dem aktuellen Stück „Durch Traum und Zeit“ an der Dresdner Herkuleskeule © Robert Jentzsch

Verleihung des Sterns der Satire: Wolfgang Schaller und Peter Ensikat

Verleihung des Sterns der Satire: Wolfgang Schaller und Peter Ensikat © Archiv Herkuleskeule

Wolgang Stumph und Wolfgang Schaller

Wolgang Stumph und Wolfgang Schaller © Archiv Herkuleskeule

„Verrückte Zeiten“

Der Kabarettist Schaller hat in den 50 Jahren seines Schaffens viel erlebt und die Zeiten könnten unterschiedlicher nicht sein. In den 1980er Jahren wurden seine zusammen mit Peter Ensikat geschriebenen Stücke überall in der DDR gespielt. Noch zu Mauerzeiten trat das „Herkules-Ensemble“ gemeinsam mit der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ auf. 1988 ehrte ihn sogar Erich Honecker mit dem „Nationalpreis für Kunst und Literatur“, 20 Jahre später wurde ihm zusammen mit Peter Ensikat der „Stern der Satire“ auf dem „Walk of Fame“ des deutschen Kabaretts von Außenminister Steinmeier verliehen. Und jetzt gibt es wieder eine ganz neue „verrückte“ Zeit, von der wir nicht wissen, wie lange sie anhält und wohin sie uns führt.

Wir werden in den Zeiten nach Corona viele Fragen stellen müssen.

Wolfgang Schaller

Mit der „Coronakrise“ erleben wir derzeit eine außergewöhnliche Situation, die besonders die Kultur hart trifft: Kinos, Theater, alle Bühnen- und Veranstaltungsorte sind bis auf Weiteres geschlossen. Was nehmen Sie aus dem kulturellen Lockdown für sich persönlich mit? Und was denken Sie, passiert mit dem Kabarett danach? 

„Ich genieße die verordnete Entschleunigung: Ich beobachte, wie an einem Sonnentag die Bäume knospen und genieße, wieviel Arten von Grün es gibt. Unruhig macht mich, dass es auch in der Coronakrise wieder die Schwachen sind, die am meisten leiden. Dass in reichen Ländern wie den USA Leute hungern, weil sie sich nichts zu essen kaufen können. Dass bei uns Tausende auf „Die Tafel“ angewiesen sind – und selbst die ist jetzt geschlossen. Dass es nicht wenigstens unter der Last der Pandemie, Schluss ist mit Sanktionen und Kriegen. Wir werden in den Zeiten nach Corona viele Fragen stellen müssen. Wir werden im Kabarett viel zu tun haben. Und ich, der ich laut der verkündeten Statistiken als Risikogruppe schon halb tot sein müsste, werde hoffentlich dabei sein.“

Am 20. April werden Sie 80 Jahre. Herzlichen Glückwunsch! Ein besonderer Geburtstag, in einem außergewöhnlichen Jahr. Wie werden Sie Ihren runden Geburtstag feiern?

„Alt werden ist kein Verdienst. Ich habe Geburtstage nie gefeiert. Und das Virus lässt es ja gar nicht zu, dass ich feiern könnte. Also werde ich dank Virus erst später älter. Aber ich bin nun auch fünfzig Jahre an der Herkuleskeule, deren Leiter ich 36 Jahre war. Das hätte ich schon gern gefeiert. Nun sitze ich in meinem Garten und halte den Mindestabstand zu mir selber ein. Ach nein – meine Frau Birgit wird neben mir sitzen, so nah wie schon 36 Jahre lang. So lange hält sie es schon neben mir aus. Dazu müssen Sie Birgit beglückwünschen.“

Wir wünschen Herrn Schaller und seiner ganzen Familie das Allerbeste und beglückwünschen ihn nicht nur zum 80zigsten Geburtstag, sondern auch zum kürzlich im Eulenspiegel Verlag erschienenen Buch: „Eh ichs vergesse. Satirische Zeitensprünge“. Das Buch ist eine Sammlung von SZ-Kolumnen aus 30 Jahren und den schönsten Liedern und Sketchen aus 50 Jahren an der Dresdner „Herkuleskeule“.

Wolfgang Schaller: "Eh ichs vergesse. Satirische Zeitensprünge", Eulenspiegel Verlag Berlin
Wolfgang Schaller: „Eh ichs vergesse. Satirische Zeitensprünge“, Eulenspiegel Verlag Berlin
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Die „Herkuleskeule“ ist wie alle anderen Kultureinrichtungen in Dresden aufgrund der aktuellen Coronakrise geschlossen. Doch auch die „Keule“ kann und will nicht stillhalten und meldet sich kurzerhand mit lustigen und scharfzüngigen Youtube-Videos im Netz. Mit dabei: Wolfgang Stumph, Wolfgang Schaller und Rainer Bursche. Außerdem bittet das Kabarett um tatkräftige Unterstützung: Wer jetzt ein Solidaritätsticket erwirbt, wird mit einer verrückten und äußerst praktischen Aufmerksamkeit belohnt.

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