So bunt und lebendig ist die Dresdner Tanzszene

Ensemble Miller de Nobili und Anna Till

Die Tänzerinnen Anna Till und Romy Schwarzer in der Moving Performance „Karussell der Zeit“, einem performativ-geführten Spaziergang.
Die Tänzerinnen Anna Till und Romy Schwarzer in der Moving Performance „Karussell der Zeit“ (the guts company), einem performativ-geführten Spaziergang rund um das Societaetstheater, bei dem auch das Publikum in Bewegung gerät. Foto: André Wirsig

In Dresden begegnen sich klassisches Ballett, urbane Styles und experimentelle Performance auf Augenhöhe – getragen von einem kreativen Netzwerk, das deutschlandweit Maßstäbe setzt. Wir tauchen ein in die Dresdner Tanzszene und stellen einige der wichtigsten Stimmen vor.

Dresden tanzt – und das fast täglich. Wer in den Tanzkalender schaut, eine vom TanznetzDresden erstellte Monatsübersicht zu Tanzevents in der Stadt, ist angesichts der Fülle und Vielfalt an Veranstaltungen und Formaten oft überwältigt. Zeitgenössischer Tanz in HELLERAU, Ballett in der Semperoper, Tanztheater im Zentralwerk oder experimentelle Performances am Elbufer – was hier passiert, sucht seinesgleichen. Das vitale Netzwerk aus Künstlern, Orten und Initiativen macht Dresden zu einem der wichtigsten Tanzzentren in Deutschland und darüber hinaus.

TanzNetzDresden: Knotenpunkt der freien Dresdner Tanzszene

Anlaufpunkt und Rückhalt der freien Dresdner Tanzszene ist das TanzNetzDresden. Das sich selbst organisierende Netzwerk ist 2010 aus einer einfachen Idee entstanden: Tänzer und kleine Compagnien zu verbinden und den zeitgenössischen Tanz einem breiten Publikum erfahrbar zu machen.

Projekte wie die »PopUp«-Reihe, die Tanz an ungewöhnliche Orte jenseits von Tanzsaal und Bühne bringt, das gemeinsam mit der Villa Wigman initiierte Künstler-Residenz-Programm „Tanzpakt“ (lief bis Dezember 2024) oder regelmäßige Profitrainings fördern seitdem ein Tanz-Ökosystem, das in seiner Innovationskraft und Stilvielfalt einzigartig ist. Neben zeitgenössischem Tanz sind urbane Formen wie Breaking inzwischen fest etabliert. Tanztheater experimentiert mit neuen Formaten, und Battle-Formate bringen verschiedene Tanzrichtungen zusammen. Diese Durchlässigkeit zwischen den Genres ist charakteristisch für Dresden.

Die historischen Wurzeln: Von den Pionierinnen zur Palucca-Hochschule für Tanz

Junge Tänzer in Bewegung auf Bühne, Jubiläum der Palucca Hochschule für Tanz Dresden, gegründet 1925 von Gret Palucca.
Junge Tänzer der Palucca Hochschule für Tanz Dresden, die 2025 ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Gegründet wurde sie 1925 von Gret Palucca (1902–1993). Foto: Leo Ziems

Dresden und der moderne Tanz – das ist schon seit über 100 Jahren untrennbar miteinander verbunden. Als Émile Jaques-Dalcroze 1911 in HELLERAU seine Schule für Musik und Rhythmus eröffnete, legte er den Grundstein für eine Tanzrevolution. Seine Schülerin Mary Wigman und später Gret Palucca wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Ikonen der Tanzmoderne, indem sie neue Ausdrucksformen schufen, die bis heute richtungsweisend sind.

Ihr Erbe lebt in der Palucca-Hochschule für Tanz weiter, die zu den führenden Ausbildungsstätten für innovative Bewegungskunst zählt. Am 30. August 2025 feiert sie ihr 100-jähriges Jubiläum mit einem Festakt und anschließender öffentlichen Performance auf den Elbwiesen.

Tipp: Einen sehr persönlichen Einblick in den Alltag der jungen Tänzer und die Geschichte der Hochschule bietet die MDR-Dokumentation „Die Welt tanzt in Dresden – 100 Jahre Palucca Hochschule. Die Dokumentation ist bis 18.06.2026 in der ARD-Mediathek zu sehen.

Weitere Veranstaltungen rund um das Jubiläumsjahr 2025 findet ihr im Veranstaltungskalender der Hochschule.

Tanzorte in Dresden: Von Hellerau bis Semperoper

HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste ist das Herzstück der zeitgenössischen Tanzszene in Dresden. Hier trifft die internationale Avantgarde bei Festivals wie „watch out“ auf lokale Talente, hier entstehen Formate wie der Dance-Battle „Floor on Fire“. Einen völlig anderen, aber nicht minder kraftvollen Schwerpunkt setzt die Semperoper: Hier steht das klassische und neoklassische Ballett im Mittelpunkt. Produktionen wie Vice Versa (Premiere: 28. Juni) loten die Grenzen und Möglichkeiten von Körper und Geist aus und zeigen, dass auch die traditionelle Tanzkunst in Dresden innovativ interpretiert wird.

Weitere zentrale Orte für Tanz in Dresden sind das Zentralwerk, die Villa Wigman, die Staatsoperette und das Societätstheater. Für Tanzbegeisterte lohnt darüber hinaus ein Blick in den Veranstaltungskalender des projekttheaters, des Yenidze Theaters und des Staatsschauspiels Dresden. Immer wieder erobert der Tanz in Dresden auch unkonventionelle Räume.

Alle Orte und Veranstaltungen rund um den Tanz in Dresden listet der monatlich erscheinende Tanzkalender des TanzNetzDresden.

Junge Dresdner Tanzszene: Anna Till

Tänzerin Anna Till in moderner Pose auf Bühne, „Schwanensee in Sneakers“ zeigt Tanz als transformierende Ausdrucksform.
Von den Ausdrucksmöglichkeiten des Körpers im Raum und der Kraft der Verwandlung, die ihm innewohnt, erzählt Anna Till in ihrer Solo-Performance „Schwanensee in Sneakers“. Foto: TanzNetzDresden Stephan Floss

Anna Till gehört zur neuen Generation der freien Dresdner Tanzszene. Nach Stationen in Berlin und Lüneburg kehrte die gebürtige Dresdnerin 2010 in ihre Heimatstadt zurück. Sie ist Mitgründerin und Vorstandsmitglied des TanzNetzDresden sowie aktiv im Verein Villa Wigman für Tanz e.V. – zwei zentralen Netzwerken für die lokale Szene. „Die vielen engagierten Initiativen in Dresden sind eng vernetzt“, sagt sie. „In HELLERAU gibt es jedes Wochenende spannende Aufführungen. Das Zentralwerk, die Villa Wigman und die Tenza als Produktions- und Ausbildungsstätte geben den Performing Arts ein Zuhause.“

Mit ihrer Company situation productions realisiert Till international erfolgreiche Tanzstücke – von Berlin bis Tel Aviv, von Maputo bis Santiago de Chile. Zusammen mit der Filmemacherin Barbara Lubich arbeitet sie außerdem im Kollektiv TILL&LUBICH an interdisziplinären Projekten. Auch als Tänzerin wirkt sie in verschiedenen Kostellationen – unter anderem mit der Hamburger Gruppe Antje Pfundtner in Gesellschaft oder der Dresdner the guts company.

Als eine der zehn bemerkenswertesten Produktionen In Deutschland wurde sie mit ihrem Stück „Schwanensee in Sneakers“ (2023), entwickelt mit Regisseurin Nora Otte, zur Tanzplattform 2024 eingeladen.

„Augen auf, Augen zu“, Anna Tills neue Produktion, ist am 16., 17. und 18. Oktober 2025 in HELLERAU zu sehen.

Junge Dresdner Tanzszene: Ensemble Miller de Nobili

Maria Chiara de’ Nobili und Alexander Miller gründeten das Ensemble Miller de Nobil 2020.
Miller de Nobili wurde 2020 von Maria Chiara de’ Nobili und Alexander Miller als Plattform gegründet, die Breaking, zeitgenössisches und urbanes Tanztheater mit Schauspieltechniken verbindet. Foto: CC

Maria Chiara de’ Nobili und Alexander Miller lernten sich im Masterstudiengang Choreografie an der Palucca Hochschule kennen. 2020 gründeten sie das Ensemble Miller de Nobili. Ihre tänzerischen Wurzeln könnten unterschiedlicher kaum sein: Miller war Mitbegründer der Breakdance-Crew THE SAXONZ, während de’ Nobili aus dem zeitgenössischen Tanz kommt. In ihren Arbeiten verbinden sie beide Welten – ergänzt durch Einflüsse aus Tanztheater sowie Schauspiel.

Ihr Debütstück „Momento“ gewann den Scapino Ballet Production Prize beim 35. Choreografiewettbewerb in Hannover. Mit dem ersten abendfüllenden Stück „PACK“ (2021) wurden sie zur Tanzplattform Deutschland 2022 eingeladen. 2023 folgte die Teilnahme an der Rotterdam International Choreography Competition mit „Until Again„. Im selben Jahr arbeiteten sie auch am Tanz-Opern-Projekt „Song of the Dark Forest“ mit, produziert vom Scapino Ballet Rotterdam.

Als prägende Stimmen der jungen Dresdner Tanzszene wurden Miller de Nobili 2025 mit dem Förderpreis der Landeshauptstadt Dresden ausgezeichnet.

Mit der Neuproduktion „Hype the Pain“ kommen sie am 24. und 25. Oktober 2025 nach HELLERAU.

„Hype the Pain“ vom Dresdner Duo Miller de Nobili ist im Oktober in HELLERAU zu sehen.
In „Hype the Pain“ beschäftigt sich das Dresdner Duo Miller de Nobili mit der unterschätzten Macht der digitalen Alltagswelt. Foto: CC

Lesen Sie auch …