Wer war August der Starke?

Der Erste, der Zweite, der Größte, der Meister

August der Starke
Er liebte die Frauen, rauschende Feste, den Pomp und die Kunst. Illustration: Mario Wagner

Kurfürst von Sachsen, König von Polen und eine der schillernsten Persönlichkeiten des Barock – am 12. Mai 2020 wäre August der Starke 350 Jahre alt geworden. Zahlreiche Legenden ranken sich um ihn: Frauenheld, Verschwender, leidenschaftlicher Sammler. Aber was ist dran am „August-Mythos“? Ein Blick in die Augusteische Zeit – in Zahlen.

Friedrich August I. von Sachsen strebte nach Macht und war dem Genuss erlegen. Er liebte die Frauen, rauschende Feste, den Pomp und die Kunst. August der Starke machte Dresden zu einer Kunst- und Kulturmetropole mit europaweitem Ansehen. Als Kunstsammler und engagierter Stadtgestalter prägte er nachhaltig Dresdens Kultur und das Antlitz der Barockstadt, wie wir sie heute kennen und lieben. Die Frauenkirche, der Zwinger, das Schloss Pillnitz – all diese Bauwerke gehen auf den großen Kurfürsten zurück. Seiner Sammelleidenschaft verdanken wir unter anderem die Porzellansammlung, das Kupferstich-Kabinett und die Skulpturensammlung. Und auch die imposanten Paraderäume im Residenzschloss, die August 1719 anlässlich der Hochzeit seines Sohnes herrichten ließ, sind das Werk des großen Kurfürsten.

Reiterporträt August des Starken (1670-1733), aus der Sammlung: Gemäldegalerie Alte Meister Dresden
Reiterporträt August des Starken (1670-1733), aus der Sammlung: Gemäldegalerie Alte Meister Dresden © Louis de Silvestre (1675-1760)

Leidenschaftlicher Kunstsammler

Bereits mit 17 Jahren begann August der Starke, Kunst zu sammeln. Mit 52 Jahren ließ er seine Gemälde inventarisieren. Die Zählung dauerte sechs Jahre und ergab 3592 Gemälde, allein 500 davon im Dresdner Schloss. In der Gemäldegalerie Alte Meister und in der Skulpturensammlung 1800 kann man sehen, welche wichtigen Meisterwerke August der Starke und sein Sohn Friedrich August II. in nur wenigen Jahrzehnten erwarben.

Das Marienbild: „Sixtinische Madonna“ gehört zu den bedeutendsten Werken Raffaels. Im Jahr 1754 nutzte der Sohn August des Starken, Friedrich August II. die Geldnot der Klosterkirche San Sisto in Piacenza und erwarb das Marienbild aus dem 16. Jahrhundert. © Raffael, Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden

Für seine Sammelleidenschaft war dem sächsischen Herrscher nichts zu teuer. 58.485 Reichstaler, das entspricht den Baukosten von Schloss Pillnitz, brachte er für Johann Melchior Dinglingers Kabinettstück „Hofstaat zu Delhi am Geburtstag des Großmoguls Aureng-Zeb“ auf. Das filigrane Kunstwerk ist damals wie heute Besuchermagnet im Grünen Gewölbe. Die schillernde Miniatur spätbarocker Juwelierskunst besteht aus 223 Diamanten, 53 Perlen, zwei Kameen und einem Saphir und mehreren hundert Rubinen und Smaragden.

Kabinettstück „Der Hofstaat zu Delhi am Geburtstag des Großmoguls Aureng-Zeb“ © Grünes Gewölbe: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Jürgen Karpinski

1710 stellte August der Starke Europas Vorstellungen von Luxus auf den Kopf: Er gründete die erste europäische Porzellanmanufaktur in Meißen. Was vorher mühsam aus Asien importiert werden musste, wurde fortan zum Alleinstellungsmerkmal. Die Erfinder des europäischen Porzellans sind Augusts Untertanen Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und Johann Friedrich Böttger, der als Alchemist eigentlich versprochen hatte, Gold herzustellen.

29.000 Stücke aus chinesischem und japanischem Porzellan trug August der Starke zusammen. Heute umfasst die Porzellansammlung im Dresdner Zwinger die schönsten und bedeutendsten Porzellanarbeiten aus Ostasien und eben auch aus Meißen.

Dem Genuss verfallen und ständig verliebt

August war Gourmet durch und durch. Er liebte die kulinarischen Spezialitäten des Elblandes. Und das sah man ihm auch an. 176 cm groß und 120 kg schwer soll August der Starke gewesen sein. Sein Beiname ist aber nicht nur auf seine Opulenz zurückzuführen. Angeblich konnte er mit seinen Händen ein schmiedeeisernes Hufeisen zerbrechen. Die Zeugen? Seine Diener. Der starke Kurfürst ließ sich gern als Herkules feiern und dies auch urkundlich verbriefen.

Zurückhaltung, das war eher nicht seine Stärke, insbesondere nicht, wenn es um Frauen ging. August war verheiratet mit der eher introvertierten Christiane Eberhardine, Prinzessin von Brandenburg-Bayreuth. Mit ihr bekam er einen Sohn, Friedrich August II. Doch das hielt ihn nicht von permanenten Liebesverhältnissen ab.

354 Kinder soll August der Starke gezeugt haben – eine völlig übertriebene Zahl, die ihm erstmals die scharfzüngige Wilhelmine von Preußen angedichtet hat. Immerhin: belegt sind neun uneheliche Nachkommen. 12 Mätressen hatte August. Die bekannteste von ihnen: Anna Constantia von Cosel. Einst Mittelpunkt des höfischen Lebens, bewies sie oft jenes politische Gespür, das dem Kurfürsten fehlte.

Porträt der Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel (1680-1765), © Unbekannt

Ziemlich abgebrüht und zu Höherem berufen

Anna Constantia, Gräfin von Cosel war unter den 12 Mätressen August des Starken die berühmteste. Jahre lang war sie mit dem Kurfürsten liiert. Drei Kinder zeugte er mit ihr und gab ihr sogar ein schriftliches Heiratsversprechen, für den Fall, dass seine Gemahlin verstirbt. Doch soweit kam es gar nicht. Der Kurfürst trennte sich von der Gräfin. Als sie damit drohte, das brisante Schriftstück öffentlich zu machen, ließ August sie einsperren. Ihr restliches Leben, 49 Jahre, verbrachte Anna Constantia auf der Burg Stolpen bei Dresden in Gefangenschaft.

August behandelte seine Mätressen immer zuvorkommend und beschenkte sie reich. Sobald sie ihm aber im Wege standen, gab es keine Gnade. Denn der sächsische Kurfürst fühlte sich zu Höherem berufen. Er strebte nach Macht und europaweitem Ansehen. 39 Millionen Reichstaler zahlte der zukünftige König an kirchliche und weltliche Würdenträger in Osteuropa, um sich für die polnische Krone zu bewerben. Doch Geld allein reichte dafür nicht aus. 1697 konvertierte der protestantische Kurfürst zum Katholizismus. Das war Bedingung, um König zu werden.

Seinen Konfessionswechsel hielt er geheim, bis ihm der Königstitel anerkannt wurde. Denn er wusste: Sachsen, das Mutterland der Reformation würde über dieses Zugeständnis nicht leicht hinwegsehen. August war geborener Wettiner, eines der ersten Adelsgeschlechter, die sich vom katholischen Glauben lossagten. Seine Gattin Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth blieb Protestantin. Sie betrat niemals polnischen Boden und lebte vom König getrennt.

Mit dem Herzen für immer in Dresden

Augusts ausschweifender Lebensstil ging auch auf Kosten seiner Gesundheit. Mit 63 Jahren starb der sächsische Kurfürst und König von Polen an den Folgen einer Diabetes. Sein Leichnam wurde in Krakau beigesetzt. Aber sein Herz wurde auf seinen Wunsch hin nach Dresden gebracht. In der Katholischen Hofkirche wird es in einer silbernen, innen vergoldeten Kapsel aufbewahrt. Das Herz August des Starken hatte immer für Dresden geschlagen.

Das Herz August des Starken wird in dieser silbernen Kapsel in der Stiftergruft der Katholischen Hofkirche aufgewahrt. Auf seinen eigenen Wunsch hin kam es nach Dresden. Sein Herz hatte immer für seine Residenzstadt geschlagen. © Dr. Bernd Gross, WikiCommons

Anlässlich des 350-jährigen Geburtstagsjubiläums des Sächsischen Kurfürsten, feiert Dresden den „Barockfürst“ mit einer Sonderausstellung auf Schloss Moritzburg. Was machte den König von Polen zu einer so außergewöhnlichen und populären Gestalt? War er Held oder Verlierer? Die Ausstellung: „350 Jahre Mythos August der Starke“ spürt diesen Fragen nach und nimmt den Besucher mit auf die Reise in eine spannende Zeit.

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