„Zwinger Xperience“: Vision und Wirklichkeit

Hightech-Erlebnis-Ausstellung inszeniert Geschichte des barocken Meisterwerks

Zwinger Xperience Dresden
Die neue Ausstellung "Zwinger Xperience" ist ein wahres Spektakel. Foto: Thomas Schlorke

Dresden sollte wie Versailles werden – davon träumte August der Starke. Der Zwinger zeugt bis heute von diesem großen Plan. Die neue Hightech-Erlebnis-Ausstellung „Zwinger Xperience“ erzählt die Geschichte des barocken Meisterwerks als multimediale Zeitreise.

Gerade noch rechtzeitig klettert August der Starke in den Heißluftballon, mit dem sich Matthäus Daniel Pöppelmann vom Zwinger aus aufmacht, in der Zeit zurückzufliegen. Der Kurfürst und sein Baumeister heben ab, sogleich beginnen sich der Zwinger und die Bauten ringsum zu einer großartigen Vision zu wandeln: Vor den Augen der Betrachter erhebt sich ein beeindruckender Brunnen. „Das Brunnentor, meine kühnste Planung!“, beginnt Pöppelmann zu schwärmen. „Jaja, ganz nett für den Anfang. Aber wo bleibt der Prunk, die Opulenz?“, fällt ihm der Regent ins Wort. Der Ballon steigt höher und gibt den Blick frei auf weitere Bauwerke, reich verziert mit Preziosen. „Hier, Majestät. Hier habt ihr eure Opulenz“, sagt Pöppelmann feierlich. „Vier Ehrenhöfe. Das Ballhaus. Eine Tierhatz-Arena. Und dort, die Hofkirche. Die Fest- und Exerzierplätze. Und im Zentrum …“ – „… mein neues Schloss. Was für eine Pracht!“, spricht der Bauherr den Satz zu Ende. Dresden sollte so prächtig wie Versailles werden. Doch der Plan war zu kostspielig, umgesetzt wurde davon nur ein Bruchteil.

Zwinger Xperience – das ist Virtual Reality, 270-Grad-Projektionen, neueste Audio­technik

Modernste Museumstechnik ermöglicht seit dem 30. Juni eine Zeitreise und erweckt die Geschichte der heute weltbekannten Anlage zu neuem Leben. Das Wort „Ausstellung“ beschreibt dabei nur in Ansätzen, was die Besucher der „Zwinger Xperience“ erwartet: Virtual Reality, 270-Grad-Projektionen, neueste Audio­technik. Mit der Umsetzung wurden Spezialisten für immersive Raumerlebnisse des Berliner Büros m box betraut. Ein Team aus Designern, Programmierern, Grafikern und Animatoren arbeitete zwei Jahre lang an dem Projekt. Dem ging eine mehr als zehnjährige Forschungsphase voraus, in der die Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen (SBG) mit Markus Wacker, dem Lehrstuhlinhaber der Medieninformatik der HTW Dresden, unzählige historische Dokumente akribisch in 3D-Modelle übersetzten.

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Besonders intensiv waren die Recherchen zur Vermählung von Friedrich August, des Sohnes Augusts des Starken, mit Maria Josepha, der Kaisertochter von Österreich, anno 1719. Die mehrwöchige Hochzeit mit all ihren Festen dürfte bis heute Europas glanzvollste gewesen sein. Ihren Höhenpunkt, das Jupiterfest im Zwinger, erleben die Besucher als 270-Grad-Projektion auf einer dreimal elf Meter großen Leinwand. Das Spektakel beginnt mit dem „Einzug der Elemente“: Hunderte Reiter ziehen, kostümiert als die vier Elemente, vorüber. „Da, der König als Feuerreiter!“ „Magnifique!“ Wer genau lauscht, schnappt zwischen dem Trappen der Hufe Bemerkungen aus dem Volk auf.

Auf Radtour durch die Zeitzonen der Residenzstadt Dresden

Diese Szene begeistert Kurator Dirk Welich auch aus wissenschaftlichem Grund: „Auch hier haben wir uns eng an historische Quellen gehalten, die Anzahl der Reiter genau nachgestellt. Das hat uns ermöglicht, he­rauszufinden, ob eine Choreografie wie diese überhaupt so funktioniert haben kann.“ Es war ihm ein Anliegen, Augusts Spielart der Präsentationskultur als Ausdruck von Macht und Stärke intensiv spür- und erlebbar zu machen. Das war Antrieb, die Ausstellung als Erlebnis zu inszenieren. Natürlich bedient die Technik auch heutiges Rezeptionsverhalten. „Wir wollen die Zugangsschwelle für historische Fakten so gering wie möglich gestalten“, so Welich. Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, hat dazu über Medienstelen Gelegenheit. Diese stehen auch im letzten Bereich der Ausstellung zwischen futuristisch anmutenden, am Boden befestigten Fahrrädern.

  • Ausstellung Zwinger Xperience Dresden
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Vor dem Besteigen wird eine Virtual-Reality-Brille aufgesetzt. Durch vier Zeitzonen radelt man an den virtuellen Bauten vorbei und kann sehen, wie der Zwinger nach Plänen ambitionierter Architekten und vermessener Regenten hätte aussehen sollen. „So erst kann der Besucher aus der visualisierten Realperspektive die städtebaulichen Entwürfe würdigen, ganz anders als beim Betrachten eines Stadtgrundrisses“, erklärt Welich. An der Technik wurde lange getüftelt. Denn der menschliche Körper reagiert zuweilen mit Schwindel oder Übelkeit, wenn das Gehirn weiß, dass sich der Körper im Stillstand befindet, der Sehnerv jedoch etwas anderes behauptet. Daher die Velos mit beweglichen Pedalen: „Um dem Gehirn eine optische Hilfestellung für die Verknüpfung der Sinneswahrnehmungen zu geben, ist der vordere Teil des Fahrrads auch in der VR-Welt zu sehen“, so Welich.

Knifflig war auch die präzise Einstellung des neuartigen Soundsystems „usomo“. Über Kopfhörer erkennt das System, wo sich jeder Besucher im Raum gerade befindet, und sendet die jeweils passende Erklärung auf seinen Kopfhörer. „usomo“ macht Klang individuell erlebbar und erweckt den Eindruck, man stünde tatsächlich in der Szenerie. Dass diese Innovationen einen Beitrag in der Diskussion um neue Vermittlungsformen in Museen sind, davon sind die Macher überzeugt.

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