Mit dem Kanu unterwegs in Dresden Elbland

Dresden und Umland auf einer Paddeltour neu entdecken

Paddeln Kanu Dresden
Von der Elbe aus präsentieren sich Dresden und Umgebung wunderschön. © Mike Hillebrand

Vom Fluss aus offenbaren Dresden und das Elbland ihre allerschönsten Seiten. Das stellte auch unser Autor fest, als er von Dresden nach Diesbar-Seußlitz paddelte. Ein Erfahrungsbericht

Der Reiher hebt ab. Ein paar Flügelschläge, und er ist in der Luft, dann breitet er die Schwingen aus und gleitet in aller Seelenruhe über den Fluss, der unbeeindruckt weiter fließt. Auf der Böschung grasen ruhig Pferde und Schafe, eine Entenfamilie watschelt ins Wasser, ein einsamer Storch blickt dem vorbei gleitenden Kanu melancholisch hinterher, die Sommersonne brennt vom Himmel. Eine sanfte Brise kräuselt die Wasserfläche, die das Boot gleich durchschneiden wird, und über die Elbe zieht der Duft von frisch gemähtem Heu. Ein perfekter Augenblick.

Jeder Meter will der Elbe abgerungen werden

Ein Augenblick, in dem man selbst die schmerzenden Schultern vergisst, die den ungeübten Paddler plagen, nachdem er das Elbland durchquert hat. Denn so schwerelos die Fortbewegung im Kanu auch erscheint, jeder Meter will der Elbe abgerungen werden, die Strömung allein trägt das Boot nicht von Dresden bis hinter Meißen.

Begonnen hatte unsere Tour an einem Sommervormittag, der schon die Hitze der kommenden Stunden ahnen ließ, am Freibad Wostra im Dresdener Süden an der Abholstation von Kanu Dresden. Der Kanuverleih bietet geführte Touren für Schulklassen oder andere Gruppen an, wir aber hatten uns für die einfachste Variante entschieden: Wir legen ab an der Kanu-Station und lassen uns am nächsten Tag wieder abholen. Wo? Mal sehen, wie weit wir kommen.

Die Einführung des Verleihers ist schnell erledigt, mein Freund ist ein erfahrener Paddler. Er wird hinten sitzen im Kanu, um von dort nicht nur das Boot, sondern auch mich, den Novizen, zu lenken. Hüte auf den Kopf, Lichtschutzfaktor 50 auf die Arme, schon tauchen die Paddel ins trübe Wasser, wir nehmen Fahrt auf.

Der Autor, hier links vor dem Start noch guter Dinge, und sein Freund und Paddelexperte, der auch später noch öfter herzhaft lachen musste.
© Mike Hillebrand

Der erste Höhepunkt lässt nicht lange auf sich warten

Der erste Höhepunkt lässt nicht lange auf sich warten. Rechts über dem Fluss thront das Pillnitzer Schloss. Aber so kurz nach dem Start ist es noch nicht Zeit für eine Pause, noch sind unsere Arme kräftig, sonst könnte man eines der verschiedenen Museen besuchen, durch den grandiosen Schlossgarten flanieren oder sich in einer der schlosseigenen Gaststätten stärken. Stattdessen manövrieren wir vorsichtig ans untere Ende der Freitreppe vor dem Schloss. Dort, wo vor dreihundert Jahren die sächsischen Fürsten am sogenannten „Gondelhafen“ mit den Prunkschaluppen anlegten, von denen heute noch eine im Schlossgarten ausgestellt wird, hat das sommerliche Niedrigwasser etwas freigelegt, das gewöhnlich gut versteckt unter dem Wasserspiegel liegt: einen grün bemoosten Hungerstein. 1873 – die Jahreszahl wurde in den Stein geschlagen, weil die Elbe damals ähnlich wenig Wasser führte, weil der Schiffsverkehr eingeschränkt und die Fischerei schwierig war, weil das Korn auf den Feldern und die Früchte an den Bäumen verdorrten, und die Menschen hungerten.

Die Reise auf dem Fluss führt eigentlich durch die Historie

Mittlerweile fehlt es der Elbe oft an Wasser, der Schiffsverkehr bekommt immer öfter Probleme, und wir werden noch mehr Hungersteine finden. Sie gehören genauso zur Geschichte des Elblandes, das jahrhundertelang am und mit dem Fluss und dessen Launen lebte, wie der 1969 errichtete Fernsehturm, der alles überragt, oder das Blaue Wunder, jenes Brückenwunderwerk, das bei seiner Fertigstellung 1893 als technisches Meisterstück gefeiert wurde und bis heute nichts von seiner Eleganz eingebüßt hat.

Zu dieser Historie gehören auch die drei Biergärten, die sich hier unter dem Blauen Wunder und im Schatten der ersten Weinberge ans Ufer schmiegen. Die Geschichte des Schillergartens reicht zurück bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ich hätte nicht übel Lust, es Friedrich Schiller, der dem Lokal den Namen gab, gleich zu tun und hier einzukehren. Aber wir haben erst sieben Kilometer geschafft, 33 fehlen noch bis Meißen, das wir heute erreichen wollen.

Also geht sie weiter, die Reise auf dem trägen Fluss, die eigentlich durch die Historie führt. Und zu der gehören natürlich vor allem die vielen berühmten Schlösser, von denen drei der berühmtesten nun auftauchen, als wollten sie uns im barocken Dresden begrüßen: der weltberühmte Dreiklang aus Schloss EckbergLingnerschloss und Schloss Albrechtsberg.

Kanuverleih in Dresden Elbland

  • Bei Kanu Dresden werden Wasserratten fündig: Auf dem Gelände des Freibads & Campingplatz Wostra gelegen, bietet der Verleih verschiedene Ein- und Mehrtagestouren an, außerdem Kombitouren aus Kanu- und Radfahren und sogar Gourmettouren inklusive Verköstigung. Öffnungszeiten: Mi.-So. 9-14 Uhr (Bootsausgabe), Mo. und Di. auf Anfrage.

Vom Wasser aus sieht die Stadt noch mächtiger und eindrucksvoller aus

Zur Dresdener Geschichte, diesmal der allerneuesten, gehört aber auch die Waldschlösschenbrücke. Unter ihr hindurch fließt der Fluss weiter bis zur Albrechtsbrücke, und wir schließlich hinein in die Altstadt, an deren weltberühmter Skyline entlang das Boot nun angemessen elegant gleitet – auch weil wir jetzt doch halbwegs synchron paddeln. Oder vielleicht, weil mein Freund im Heck inzwischen geschickter meine unzulängliche Technik ausgleicht.

Wir bewundern die Brühlsche Terrasse, die Frauenkirche und Kunstakademie, Residenzschloss, Hofkirche und Semperoper. Vom Wasser aus sieht die Stadt noch mächtiger und eindrucksvoller aus. Fast könnte man meinen, August der Starke habe den Umbau seiner Stadt damals ausdrücklich für uns geplant. Heute kann einem der Kurfürst immerhin noch in Gestalt eines Raddampfers begegnen. August der Starke und auch seine berühmte Mätresse, die Gräfin Cosel, sind zusammen mit den anderen Schiffen der Sächsischen Dampfschifffahrt natürlich vor allem hier unterwegs, wo die Touristen so viel entdecken können. Deshalb muss man aufpassen beim Manövrieren, die Berufsschifffahrt hat immer Vorfahrt, das wurde uns während der Einweisung erklärt. Ihre Wellen können dem kleinen Kanu zu schaffen machen. Aber heute, an diesem trägen Tag, ist kaum Verkehr auf der Elbe. Andächtig heben wir die Paddel aus dem Wasser und lassen uns treiben, das schont die Armkraft und lässt die Postkartenaussicht länger genießen.

Allein unter Reihern – so hat sich unser Autor streckenweise gefühlt. Und diese Ruhe genossen.
© Mike Hillebrand
Meißen mit seiner Albrechtsburg ist Endpunkt der ersten Tagesetappe.
© Mike Hillebrand

Das barocke Dresden sieht vom Wasser aus noch imposanter aus.
© Mike Hillebrand
Unter der Brücke hindurch, vorbei am barocken Dresden geht die Reise.
© Mike Hillebrand

Der Fluss führt durch das Weinland Sachsen

Wenn wir die Yednize, die ehemalige Zigarettenfabrik in Form einer Moschee, erblicken, wissen wir, dass das quirlige Dresden nun hinter uns liegt. Der Fluss führt uns vorbei an Industriebauten, bis die Bebauung immer sparsamer wird. Vorbei geht es am Zufluss der Weißeritz, die so gemütlich in die große Elbe plätschert, dass unser Kanu nicht einmal ins Wackeln gerät. Kaum vorzustellen, dass dieses Flüsschen 2002 kurzzeitig sein Bett verließ, in das ihn einst Menschenhand zwang, um den Dresdener Hauptbahnhof zu fluten. Wir aber sind auf dem Fluss nun nahezu allein, nur die Vögel sind unsere ständigen Begleiter und die berückende Ruhe, die über der Auenlandschaft liegt.

Wem sie zu viel wird, diese Ruhe, den lädt der historische Stadtkern von Altkötzschenbroda zu einem Spaziergang. Wir aber fahren weiter, schweigend und still die Paddel in die Elbe tauchend. Der Fluss trägt uns nun durch einige der berühmtesten und besten Lagen des Weinlandes Sachsen. Das Staatsweingut Schloss Wackerbarth liegt weiter oben am Hang inmitten der sorgsam gepflegten Steillagen. Kurz vor Meißen dominiert nicht mehr der graue Sandstein, der auch die Sächsische Schweiz prägt, die Szenerie, sondern das rostrote Gestein des Spaargebirges, das als kleinstes Gebirge Sachsens gilt. Ab und an kräuselt sich das sonst so stille Wasser vor uns und zeigt an, dass sich eine kleine Windböe dem Boot entgegenstellt, wir müssen ein wenig kräftiger paddeln.

Quartiere für die Nacht gibt es in Ufernähe zuhauf

Nun haben wir auch schon fast 40 Kilometer in den Knochen. Die Computerarbeiterarme schmerzen, der Skipper im Heck lacht fröhlich, er könnte noch weiter paddeln. Aber für mich ist es Zeit, wir brauchen ein Quartier für die Nacht. Herbergen und auf Paddler eingestellte Privatquartiere gibt es in Ufernähe, Kanu- oder Rudervereine bieten Gästezimmer. Auch verschiedene Weingüter, darunter Schuh und Vincenz Richter, nahe der Elbe gelegen und mit Vinotheken und Gaststätten ausgestattet, bieten sich zum Anlegen und Verweilen an. Oder man gönnt den schmerzenden Muskeln ein sehr gutes Bett im Dorint Parkhotel. Also legen wir an, tragen das Boot durchs hohe Gras hinauf auf die Böschung und schließen es an einem Straßenschild an. Der Weg bis in die Tiefgarage des Hotels ist uns zu weit, wir vertrauen den Meißenern und dem Zahlenschloss, das uns der Kanuverleih mitgegeben hat.

Nach jeder Biegung stellt sich eine neue, überwältigende Aussicht in den Weg

Am nächsten Morgen, gestärkt von einem exzellenten Frühstück mit Blick auf die Albrechtsburg, geht es weiter. Der befürchtete Muskelkater ist ausgeblieben, das Paddeln geht plötzlich wie von selbst, die Luft steht still. Die Landschaft nach Meißen scheint noch lieblicher, aber vielleicht kommt es mir, dem jeder Paddelschlag auf diesen letzten Flussmetern plötzlich so leicht erscheint, auch nur so vor. Die Elbe mäandert, und nach jeder Biegung stellt sich eine neue, überwältigende Aussicht in den Weg. Immer wieder stehen Reiher im flachen Wasser, blicken uns und unserem Kanu interessiert hinterher. Wir sehen Kormorane und Kiebitze, und ist dieser Greifvogel da womöglich eine Rohrweihe?

Der Weg nach Diesbar-Seußlitz ist gar nicht mehr weit, Lehmanns Weinstuben liegen ganz in Ufernähe. Das Kanu ist gut festgemacht, der Abholservice angerufen und unterwegs, der Müller-Thurgau glitzert im Glas. Ein perfekter Abschluss einer Reise mit vielen perfekten Momenten.

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