Dresden: Die (vielleicht) schönste Stadt Deutschlands

Eine Spurensuche

Beim Blick über die Augustusbrücke zeigt sich Dresden von seiner schönsten Seite. Foto: Sylvio Dittrich (DML-BY)

Dresden ist die schönste Stadt Deutschlands, sagen Umfragen. Aber stimmt das? Und was ist überhaupt schön? Eines ist sicher: Dresden ist ein guter Ort, diesen Fragen nachzugehen. Auf der Suche nach einer faszinierenden Eigenschaft.

Stellen Sie sich vor: Sie sind zu Besuch in Dresden, essen in einem der vielen Restaurants in einer gemütlichen Runde, und es geht um Dresden. Plötzlich wirft jemand schmunzelnd ein Zitat des italienischen Romanciers Umberto Eco ein: „Die Dresdner fragen einen gar nicht, ob einem die Stadt gefällt. Sie sagen es einem.“ Das steht unter den Einheimischen also offenbar fest: Die Stadt gefällt.

Dresden – hier wurde die Schönheit erfunden.

sagte der Kunstschriftsteller Johann Joachim Winckelmann 1755

Dresden ist buchstäblich bildschön

Dresden schön zu finden, hat Tradition. Die Silhouette der Stadt ist eine mediale Ikone, spätestens seit der Venezianer Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, sie 1748 in einem berühmten Gemälde verewigte. Dichter und Denker ließen sich von ihrer Lage im Elbtal verzaubern. „Dresden – hier wurde die Schönheit erfunden“, rief der Kunstschriftsteller Johann Joachim Winckelmann 1755 aus.

Bis heute vergisst kaum ein Text über diese Stadt, den Mythos „Elbflorenz“ heraufzubeschwören. Dresdens Anblick ist mediterran, reich an barocken Monumenten. Aus der Silhouette ragt die prächtige Frauenkirche heraus, wiederaufgebaut mit internationalen Spendengeldern. Sie ist ein weltweit geliebtes Symbol für Versöhnung und Wiederaufbau.

Und den Anblick der klassizistischen Semperoper kennt jedes Kind – nicht zuletzt aus einer vertrauten Getränke-Werbung. Es ist nachvollziehbar, dass sich eine Stadt mit solchen Gebäuden als „schön“ wahrnimmt. Aber lässt sich die Schönheit einer Stadt wirklich auf die Zahl ihrer Baudenkmäler reduzieren?

Vielen bekannt durch eine vertraute Getränkewerbung: Die Dresdner Semperoper. Foto: Frank Exß (DML-BY)

Sowieso ist das mit der Schönheit so eine Sache. Manche sagen, sie liege im Auge des Betrachters. Deshalb bringt Umberto Ecos Zitat auch Schwung in unser vorgestelltes Abendessen. Eine kurze Suchanfrage bei Google, Suchbegriff: „Schönste Stadt von Deutschland“, zeigt: Auf Platz eins sind sich die Ranglisten uneins. Allerdings tauchen in den Top Ten meist die gleichen Namen auf, Dresden ist oft darunter. Und Deutschland zählt 80 Großstädte. Ein bisschen Einigkeit darüber, was eine „schöne“ Stadt ist, scheint es also doch zu geben. Aber was genau heißt dann „schön“?

Nichts existiert ohne Gegenteil

Diese Frage stellen sich die Philosophen schon lang. Eine der bekanntesten Thesen der Moderne schrieb der Aufklärer Immanuel Kant vor rund 230 Jahren auf. Schönheit erlebe man als „interesseloses Wohlgefallen“, so seine berühmte Formel. Viele Eindrücke können Wohlgefallen auslösen, zum Beispiel der Anblick eines liebevoll zubereiteten Essens. Allerdings wirkt hinter dieser Art Wohlgefallen ein „Interesse“, zum Beispiel in Form von Appetit. Diese Art Wohlgefallen ist also nicht „interesselos“.

Reine Schönheit zeigt sich, wenn man einer schönen Sache einfach so Aufmerksamkeit schenkt und im glücklichen Fall ein harmonisches Ganzes erkennt, dem sich nichts hinzufügen oder wegnehmen lässt. Das kostet manchmal Zeit und Mühe. Aber wer kennt das nicht, dass manch hochgelobtes Kunstwerk beim ersten Anblick eher sperrig wirkt? Und dann entfaltet es – nach längerer Betrachtung – doch einen bestimmten Zauber.

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„Sperrig“ kann auch Dresden an manchen Ecken wirken. Kühle Funktionsbauten aus der Zeit nach dem Krieg bis in die jüngste Gegenwart machen es dem Besucher im ersten Moment schwer, die Stadt durchgängig schön zu finden.

Aber Brüche öffnen den Blick unter die Oberfläche. Sie sind Zeugen einer wechselvollen Geschichte und erzählen etwas über die Persönlichkeit dieser Stadt. Sie offenbaren etwas Wahres – auch das kann „schön“ sein. Und: Nichts existiert ohne sein Gegenteil. Der Kontrast zu dem, was als hässlich empfunden wird, hebt das Schöne umso mehr hervor.

Dresden ist ungewöhnlich reich an Kunstschätzen

Eine Stadt ist kein Kunstwerk. Sie mag im absolutistischen Zeitalter eines Herrschers wie August der Starke zwar in der Haltung eines Künstlers gestaltet worden sein. Heute jedoch entstehen städtische Räume so, dass dabei im Idealfall möglichst viele Interessen berücksichtigt werden. Das ästhetische Anliegen ist dabei nur eines von vielen. Wer Schönheit im kantischen Sinne sucht, ist trotzdem in Dresden richtig. Denn die Stadt ist ungewöhnlich reich an Kunstschätzen. Sie bieten Gelegenheit, „interesseloses Wohlgefallen“ zu erleben.

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Die Relevanz der Atmosphäre

Schönheit war den Dresdnern schon immer ein Anliegen. In den Diskussionen um den historistischen Wiederaufbau des Neumarktes rund um die Frauenkirche standen sich fundiert und leidenschaftlich vorgetragene Positionen gegenüber. Jede Epoche hat hier ihre Fürsprecher: die Rekonstruktion im Stil der Renaissance und des Barocks ebenso wie die Wahrnehmung Dresdens als „Gründerzeit-Stadt“: Die wunderschönen Villenviertel in Blasewitz, Weißer Hirsch und die stimmungsvollen Straßen der Neustadt sind in der Tat eine eigene Reise wert. Auch die geradlinige Schönheit der sogenannten „Ost-Moderne“ hat ihre engagierten Anhänger. Und dann gibt es da noch die Forderung nach mehr Raum für gute zeitgenössische Architektur. „Schön“ ist in Dresden nicht nur eine Bewertung, das Adjektiv steht auch für eine Haltung.

Diese Haltung kann man hier erleben. Dafür muss man nach Dresden kommen, sich in der Stadt bewegen. Nur so offenbaren sich Eigenschaften, die der Philosoph Alain de Botton an allen Städten wiederfindet, die als schön gelten. So bietet eine solche Stadt die richtige Balance zwischen Ordnung und Abwechslung. Es gibt viel darin zu entdecken, durch ihre malerische Lage an der Elbe versteht man sie trotzdem schnell. Außerdem sind beliebte Stadtteile wie die Äußere Neustadt quirlig und lebendig, voller attraktiver Angebote wie Cafés, Restaurants und kleinen Läden. Sie haben „Atmosphäre“. Mit diesem Begriff beschreiben Architekten und Stadtplaner heute zunehmend die Schönheit einer Stadt.

Auch Dresdens Umland besticht durch seine Schönheit. Die drei Elbschlösser (links im Bild) tragen ihren Teil dazu bei. Foto: ddpix.de

Umberto Eco hat sich getäuscht

In Umfragen schätzen Touristen Dresden als „wunderschöne (Barock-)Stadt mit Flair“. Ob ein Marketingexperte „Flair“ definieren kann? Peter Pirck, Geschäftsführer von Brandmeyer Stadtmarken Monitor, lacht bei dieser Frage: „Das müssen Sie die Architekten fragen.“ Seine Marktforscher fragen die Menschen, wie viel „Schönheit“ oder „Flair“ sie einer Stadt zuschreiben. „Und die Befragten wissen in der Regel genau, was mit diesen Worten gemeint ist.“ Übrigens: Auf einer Skala von 1 bis 10 erzielte die Aussage „Dresden ist eine sehr schöne Stadt“ in den Umfragen von Brandmeyer so hohe Zustimmungswerte, dass sie dort Platz eins unter Deutschlands schönsten Städten belegt. In diesem Punkt täuschte sich Umberto Eco also ein bisschen. Nicht die Dresdner behaupten, dass die Stadt gefällt. Die Besucher sagen es ihnen – seit vielen Jahrhunderten, bis heute.

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